Monatsspruch April

Ostern 2024 - Kriechst du noch oder fliegst du schon?


Rundbrief April 2024

In der Geschäftigkeit vor den hohen Feiertagen im Kirchenjahr, wie Ostern, Pfingsten, Weihnachten, da vergesse ich häufig, um was es im Grunde geht, was wir da eigentlich feiern. Wenn ich Gottesdienste vorbereite, geschieht das häufig mit bestimmten Erwartungen in meinem Kopf und dem der anderen, was unbedingt zum Gottesdienst dazu gehört, welche Lieder in jedem Fall gesungen werden sollten, damit es auch ein dem Anlass entsprechender Gottesdienst ist. Ich weiß, dass vor den Feiertagen viele besonders gestresst sind: noch eben dies und das erledigen und besorgen, damit auch alles gut vorbereitet ist. Und auch ich lasse mich dann stressen, warum eigentlich?

In diesem Jahr hat mich Ostern ganz neu überrascht und berührt. Schon der Karfreitag war anders als die letzten Jahre. Keine Predigt, keine allzu detaillierte Vorbereitung, sondern etwas Neues ausprobieren und nicht zu wissen, wie es sich entwickelt, wie es rauskommt. Eine große Offenheit, ein Vertrauen, eine Weite, die gut getan haben. Die Raum gelassen haben für die Kraft des Evangeliums und das Wirken der heiligen Geistkraft. Keine Engführung, kein Muss, keine präzise Planung. Dennoch Vorbereitung, aber auf andere Art. Mehr stille Momente, Raum für geistliche Entwicklung, meine Vorbereitung war sicherlich beim Gang nach Emmaus passiert. Das hat was mit mir gemacht. Und dann, Karfreitag, Jesu Tod am Kreuz, sein Ruf der völligen Gottverlassenheit ins Angesicht der Menschen, die ihn zuvor schon verlassen hatten. Das hat mich zutiefst berührt. Dort unterm Kreuz stand ich - einmal mehr - in der Gewissheit: ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast! Karfreitag ist Aushalten. Aushalten, die Liebe am Kreuz zu vergegenwärtigen und Jesu Schicksal mit dem meinen als untrennbar verknüpft zu erleben. Aushalten, dass die Dunkelheit sich herabsenkt auf mein Gemüt und mich im Angesicht meines eigenen Verschuldens mit den Konsequenzen eines Lebens ohne Gott konfrontiert. Die Sünde greifbar in meinem Leben zu spüren, zu wissen, dass ich stets aufs Neue gefährdet bin, das Ziel meines Lebens zu verfehlen, wo ich mich Gott nicht überlasse, mich von Ihm abwende. Wo ich mich seiner schöpferischen Kraft, mein Herz zu verändern, verweigere. Aushalten, das Gute zwar zu wollen, aber es so oft dann doch nicht zu tun. Das eigene Versagen aushalten. Aushalten bis Ostersonntag.

Auch der war dieses Jahr anders. Schon in der Vorbereitung des Gottesdienstes, der ja immer Teamleistung ist, wurden wir mit einer wunderbaren Idee beschenkt, wie wir die Osterbotschaft aufs Neue unter die Menschen bringen könnten. Im Mittelpunkt stand der Schmetterling. Seit über 2000 Jahren ist er das Symbol für Auferstehung und neues Leben. Wer weiß das schon, dass die Raupe sich nach der letzten Häutung in einem Kokon verpuppt und sich dort mit ihren eigenen Magensäften selbst zersetzt? Aus den wenigen übrig gebliebenen Zellen entsteht dann etwas ganz Neues! Ein neuer Körper, ein neues Wesen: ein Schmetterling. Die Raupe, kriechend und blattfressend, hat sich verwandelt, in ein fliegendes Insekt, das sich von Nektar ernährt. Während die Raupe von Ast zu Ast oder von Blatt zu Blatt kriecht, fliegt der Schmetterling von Blüte zu Blüte, von Baum zu Baum, von hier nach dort, zuweilen tausende Kilometer weit.

Die Osterbotschaft in diesem Jahr lautete also: Kriechst du noch oder lebst du schon? Hast du das neue Leben, das Jesus Christus für dich, für mich ermöglicht hat schon ergriffen? Hast du es dir schon einverleibt? Rinnt es dir schon aus jeder Pore? Fühlst du dich darin schon zuhause oder wie ein Fisch im Wasser? Durchflutet dich dieses neue Leben schon und verleiht dir Flügel? Spürst du diese Auferstehungskraft Jesu in dir am Werk auch über Ostern hinaus? Ich will es dir sehr wünschen und dich ermutigen, dich ganz neu aufzumachen, dir Ostern anzuverwandeln, damit auch dir Flügel wachsen.

Dr. Raphaela Swadosch

Meine Tipps: Gang nach Emmaus: https://gang-nach-emmaus.de/ Ostern jeden Morgen erinnern: lebensliturgien.de (auch als App erhältlich)


Ein Wort von Bischof Harald Rückert zur aktuellen Situation

Es ist gut, ...
... dass in den letzten Wochen eine neue Leidenschaft für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes erwacht ist. Freiheit und Demokratie sind kostbare Güter!

... dass viele Menschen öffentlich bekunden, dass Antisemitismus, völkischer Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Gewalt in keiner Weise hingenommen werden können. Die Würde von Menschen ist unantastbar!

... dass Menschen in unseren Gemeinden ein sehr klares Urteil haben und sich positionieren. Sie wissen sich dem Evangelium verpflichtet und füllen die daraus abgeleiteten »Sozialen Grundsätze« unserer Kirche mit Leben.

... dass Menschen in der Nachfolge Jesu sich aktiv einsetzen für Menschenwürde und Menschenrechte. Das entspricht dem, wie die Bibel Gott bezeugt und wie sie den Menschen als Gottes Ebenbild beschreibt.

... dass sich die christlichen Kirchen in unserem Land in diesen Grundfragen einig sind und Stellung beziehen gegenüber Antisemitismus und Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Hier gibt es keine Kompromisse. Der gesellschaftliche Fokus ist derzeit aus erkennbaren Gründen auf den Rechtsextremismus ausgerichtet. Gleichzeitig gilt es, auch wachsam zu sein gegenüber anderen Entwicklungen, die ebenfalls dem Evangelium widersprechen. Das Nein der biblischen Botschaft zu menschenverachtendem Reden und Handeln gilt jeder Ausprägung inakzeptablen Verhaltens –von »rechts«, von »links«, aus religiösen Motiven oder woher es sonst gespeist sein mag.

 

Leider ...

... können viele Menschen etliche aktuelle politische Entscheidungen nicht mehr verstehen. Verunsicherung und die Sorge vor wirtschaftlichem und sozialem Abstieg nehmen zu.

... verstärkt sich eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, bei der demokratische Prozesse und Institutionen im Allgemeinen angezweifelt und verächtlich gemacht werden.

... agieren die etablierten demokratischen Parteien mitunter ungeschickt. Menschen fühlen sich nicht wahrgenommen und abgehängt.

... verstärken sich Tendenzen, dass nicht mehr miteinander geredet wird. Persönliche Interessen oder Gruppenüberzeugungen werden so stark in den Mittelpunkt gestellt und verteidigt, dass ein Miteinander und die Bereitschaft zum Kompromiss auch über unterschiedliche Sichtweisen und Bedürfnisse hinweg auf der Strecke bleiben.

... werden Menschen mit einer anderen Meinung zu einem der vielen sehr komplexen Themen, die derzeit Politik und Gesellschaft herausfordern, ganz schnell »abgestempelt« und in Schubladen geschoben. Das konstruktive Zuhören und Aufeinander-Eingehen in Zuspruch und Widerspruch findet kaum mehr statt. Das notwendige gemeinsame Ringen unterbleibt. Wer anders ist als man selbst, wird abgeschrieben und kann schnell zur Zielscheibe von bösen Attacken, von Hass und Verleumdung werden.

... verstärken sich radikalisiertes Denken und Reden in unserer Gesellschaft. Extreme Haltungen sind »sagbar« geworden und gewinnen an Einfluss, auch weil die sozialen Medien diese in Windeseile verbreiten und verstärken.

... ist mit vielen dieser Entwicklungen der Boden bereitet für verführerischen Populismus, scheinbar einfache Lösungsangebote, Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und die Pflege von Feindbildern. Nicht zuletzt führt das zu einem in Deutschland nicht mehr für möglich gehaltenen Aufblühen des Antisemitismus. Längst bewältigt geglaubtes, extremes nationalistisches Gedankengut breitet sich aus und nistet sich in den Köpfen der Menschen ein. Misstrauen und Hetze drohen unsere Gesellschaft auseinanderzutreiben.

 

Liebe Schwestern und Brüder in der Evangelisch-methodistischen Kirche,

mit diesen Zeilen wende ich mich an euch. Statt einer öffentlichen Erklärung, was »die Haltung der Evangelisch-methodistischen Kirche und der Menschen dieser Kirche ist«, liegt mir am Herzen, euch direkt anzusprechen. Das Zeugnis der Bibel und die daraus abgeleiteten »Sozialen Grundsätze« unserer Kirche sind unmissverständlich. Der Schrecken der beiden Weltkriege und die Gräueltaten des NS-Regimes führten dazu, dass im Nachkriegs-Deutschland und im inzwischen wiedervereinigten Deutschland der Schutz der unantastbaren Würde des Menschen bewusst im Grundgesetz verankert ist und als Richtschnur staatlichen Handelns dient. Extreme politische Gruppierungen und Parteien – egal welcher Couleur –, die diesen Grundsatz aufgeben oder untergraben, stellen sich außerhalb unserer gesellschaftlichen Ordnung und sind nicht zu akzeptieren.

Einige von euch beteiligen sich an den vielerorts stattfindenden Demonstrationen gegen menschenverachtenden Rechtsextremismus. Tut dies weiterhin mit Überzeugung und Klarheit. Doch tut dies mit menschenfreundlicher Gesinnung und einem klaren Blick, der auch inakzeptables Reden und Tun aus anderen Richtungen wahrnimmt und brandmarkt. Es ist beispielsweise auch nicht hinzunehmen, wenn bei pro-palästinensischen Demonstrationen der Terror der Hamas verharmlost, das Existenzrecht Israels bestritten und die Auslöschung des Staates Israel propagiert werden.

Es ist gut, auf den Marktplätzen mit vielen anderen zusammen gegen extremistisches Reden, Denken und Handeln einzutreten. Ungleich schwerer ist es, gerade in den Einzelbegegnungen des Alltags mutig und klar zu sein. Doch genau das ist nötig, um die in der großen Menge demonstrierte Einheit und Botschaft im Alltag zu leben.

Einige von euch meinen, dass eure Anliegen bei der AfD besser aufgehoben seien als bei den etablierten Parteien. Eure Beweggründe dafür mögen unterschiedlich sein. Ich vermute, dass die wenigsten von euch – wenn überhaupt – das in der AfD beförderte völkisch-nationale Gedankengut oder Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit für richtig und gut befinden. Bitte haltet euch offen für das Gespräch darüber und stellt euch kritischen Fragen. Zugleich erinnere ich euch daran: Seit ihrer Gründung ist es dieser Partei zunehmend schwergefallen, sich von rechtsextremem Gedankengut deutlich, klar und dauerhaft abzugrenzen. Inzwischen wurden Teile der Partei und einzelne Personen in herausgehobener, einflussreicher Stellung vom Verfassungsschutz als eindeutig rechtsextrem eingestuft. Darum bedenkt ernstlich, was ihr bei einer möglichen Stimmabgabe für diese Partei tatsächlich unterstützt.

 

Liebe Schwestern und Brüder, lasst uns ...
... versuchen, in unseren Gemeinden, am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft das Gespräch über die derzeitigen großen Herausforderungen zu wagen. Ich weiß, dass dies unglaublich schwierig ist. Manchmal herrscht der Eindruck vor, als könnte das überhaupt nicht gelingen, da die Wahrnehmungen und Überzeugungen derer, die miteinander kommunizieren sollten, komplett unterschiedlich sind. Dennoch! Das ernste, aufrichtige und klare Gespräch ist die einzige Alternative.

... einander als Menschen achten. Es ist leicht, übereinander zu sprechen. Dabei geschieht es schnell, einander nur noch als Gegner zu sehen. Das kann sogar dazu führen, im Gegenüber nicht mehr einen Menschen aus Fleisch und Blut zu sehen, nicht mehr einen Menschen mit Gefühlen und Bedürfnissen, nicht mehr einen Menschen als Ebenbild Gottes.

... versuchen, auf der Grundlage der klaren Ablehnung von völkischem Nationalismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt einander zuzuhören und aufeinander einzugehen.

... versuchen, ungeachtet unterschiedlicher politischer Überzeugungen, gemeinsam für Menschenwürde, Freiheit und Demokratie einzutreten.

... aufrichtig und mutig unsere biblische Überzeugung leben, dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus zur Welt gekommen ist und unter uns »das Wort von der Versöhnung« aufgerichtet hat. Als mit Gott versöhnte Menschen, werden wir zu Botschafterinnen und Botschaftern der Versöhnung (2. Korintherbrief 5,18-20). So sind wir beauftragt, zu versöhnen und nicht zu spalten, zu heilen und nicht zu zerstören, zu verbinden und nicht zu trennen. Dazu schenke uns Gott die nötige Kraft, den nötigen Mut und die nötige Weisheit.


Mit herzlichen Segensgrüßen,
Bischof Harald Rückert

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