Monatsspruch Mai

1. Korinther 6,12

Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.
Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.


Rundbrief Mai 2024

Der Monatsspruch für Mai ist großartig! Alles ist mir erlaubt! Das klingt wie ein Freifahrtschein ins Ego-Land! Alles ist mir erlaubt! Keiner kann mir was verbieten. Ich entscheide selbst und natürlich ist mir alles erlaubt, was gut ist. Selbstredend ist das, was nicht zum Guten dient, davon ausgenommen. Alles ist mir erlaubt! Das wird sogar noch einmal wiederholt! Also, wer es beim ersten Mal noch nicht verstanden hat, spätestens jetzt kommt es an...aber nichts soll Macht über mich haben...hm...ok, das klingt in diesem Zusammenhang jetzt komisch. An dieser Stelle ist es wie so oft, wenn einzelne Bibelverse nicht in ihrem Kontext gelesen werden. Und so ist es auch hier: Kontext, Kontext, Kontext, sag ich immer wieder, denn ohne Kontext können solche Verse ganz schön falsch verstanden werden. Daher tauchen wir doch mal ein bisschen ein in diesen Kontext des Verses:

Im ersten Brief an die Korinther schreibt der Apostel Paulus zu allerlei Themen der dort neu aufblühenden christlichen Gemeinschaft. Korinth war zu Paulus Zeiten eine reiche und blühende Handelsstadt und ein wichtiges Finanzzentrum. Seit 44 v.Chr. war Korinth vor allem zum Altersruhesitz für römische Veteranen aus der Armee von Julius Cäsar geworden. Durch ihre günstige Lage zwischen Rom und dem Orient war das bunte Treiben in der Stadt international und auch von den religiösen Strömungen und Kultpraktiken her vielfältig. In der Tat, in Korinth schien alles erlaubt zu sein, man war neugierig, interessiert, offen für Neues, aber manche Dinge waren eben nicht gut, auch wenn sie erlaubt waren. Paulus bezieht sich in Kapitel 6 vor allem auf einen Bereich des menschlichen Zusammenlebens, der für viel Unsicherheit, Unruhe und Unbehagen sorgte: den richtigen Umgang mit der Sexualität. Offenbar war bezahlter Sex auch damals schon ein lukratives Geschäft, und weil "alle es taten", schien es auch moralisch nicht besonders verwerflich. Aber Prostitution ist nicht nur unter dem Aspekt des möglichen Ehebruchs oder des Gewaltmissbrauchs problematisch, sondern auch unter dem Aspekt der Sklaverei, der Ausbeutung von Frauen. Es geht nicht nur um eine moralische Verfehlung, sondern um die Unterstützung struktureller Gewalt und Ungerechtigkeit.

Aber nicht das allein ist für Paulus das entscheidende, sondern die Tatsache, dass der Körper einer/s wiedergeborenen Christin/Christen nicht (mehr) ihnen selbst gehört, sondern Christus. Christen sind nicht nur die Glieder am Leib Christi, sondern ihre Leiber sind auch das Material, aus dem ihr Auferstehungskörper einmal geformt werden wird. Die leibliche Auferstehung ist für Paulus eine Selbstverständlichkeit. Und in dieser Hinsicht ist die fürsorgliche Behandlung des eigenen Körpers, das Bedenken der Konsequenzen des eigenen Handelns in Hinblick auf körperliche und geistige Gesundheit, ein wichtiges Thema. Der Körper bildet nämlich eine Einheit mit dem Geist. Im hebräischen Denken der damaligen Zeit gibt es keine Trennung zwischen Leib und Geist (oder Seele). Der Mensch ist ganzheitlich gedacht, und daher in seiner Ganzheitlichkeit auf allen Ebenen zwischenmenschlicher Beziehungen und Handlungsweisen angesprochen.

Paulus weist deshalb darauf hin, dass Christen zwar frei sind, aber nicht befreit von den Konsequenzen ihres Denkens und Handelns. Wer sich, so mahnt Paulus, von seinem Bauch, seiner Gier oder seinen Gelüsten beherrschen lässt, der hat noch nicht begriffen, wozu Jesus seine Nachfolgerinnen und Nachfolger wirklich befreit hat: zu einem Leben mit Gott, in der Einheit mit Gott. Das macht christliche Körper zu Tempeln der heiligen Geistkraft, zur Wohnung des Herrn Jesus Christus. Eine Intimität, die bewahrt und gepflegt werden will. Eine Freiheit, die keine neue Versklavung dulden will - keine selbst gewählte und schon gar keine aufgezwungene.

Was heißt das dann also für Christen heute? Alles ist erlaubt, aber das, was uns von Jesus wegzieht, trennt und entfernt, führt uns auf den Holzweg und ist nicht gut für uns. Daher mahnt Paulus hier zur Besonnenheit. Es ist mir alles erlaubt, was mich und andere nicht schädigt und denjenigen ehrt, dem ich gehöre: Gott. In einer Zeit wie heute ein herausfordernder Gedanke, der in meiner persönlichen Selbstwahrnehmung beginnt. Wo finde ich in meinem Leben schädigende Elemente, die Konsequenzen für mich selbst und andere haben? Und wo versäume ich, zu Gottes Ehre zu denken und zu handeln? Lasst uns darüber ins Gespräch kommen.

Herzlich grüßt eure Pastorin Raphaela


Ein Wort von Bischof Harald Rückert zur aktuellen Situation

Es ist gut, ...
... dass in den letzten Wochen eine neue Leidenschaft für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes erwacht ist. Freiheit und Demokratie sind kostbare Güter!

... dass viele Menschen öffentlich bekunden, dass Antisemitismus, völkischer Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Gewalt in keiner Weise hingenommen werden können. Die Würde von Menschen ist unantastbar!

... dass Menschen in unseren Gemeinden ein sehr klares Urteil haben und sich positionieren. Sie wissen sich dem Evangelium verpflichtet und füllen die daraus abgeleiteten »Sozialen Grundsätze« unserer Kirche mit Leben.

... dass Menschen in der Nachfolge Jesu sich aktiv einsetzen für Menschenwürde und Menschenrechte. Das entspricht dem, wie die Bibel Gott bezeugt und wie sie den Menschen als Gottes Ebenbild beschreibt.

... dass sich die christlichen Kirchen in unserem Land in diesen Grundfragen einig sind und Stellung beziehen gegenüber Antisemitismus und Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Hier gibt es keine Kompromisse. Der gesellschaftliche Fokus ist derzeit aus erkennbaren Gründen auf den Rechtsextremismus ausgerichtet. Gleichzeitig gilt es, auch wachsam zu sein gegenüber anderen Entwicklungen, die ebenfalls dem Evangelium widersprechen. Das Nein der biblischen Botschaft zu menschenverachtendem Reden und Handeln gilt jeder Ausprägung inakzeptablen Verhaltens –von »rechts«, von »links«, aus religiösen Motiven oder woher es sonst gespeist sein mag.

 

Leider ...

... können viele Menschen etliche aktuelle politische Entscheidungen nicht mehr verstehen. Verunsicherung und die Sorge vor wirtschaftlichem und sozialem Abstieg nehmen zu.

... verstärkt sich eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, bei der demokratische Prozesse und Institutionen im Allgemeinen angezweifelt und verächtlich gemacht werden.

... agieren die etablierten demokratischen Parteien mitunter ungeschickt. Menschen fühlen sich nicht wahrgenommen und abgehängt.

... verstärken sich Tendenzen, dass nicht mehr miteinander geredet wird. Persönliche Interessen oder Gruppenüberzeugungen werden so stark in den Mittelpunkt gestellt und verteidigt, dass ein Miteinander und die Bereitschaft zum Kompromiss auch über unterschiedliche Sichtweisen und Bedürfnisse hinweg auf der Strecke bleiben.

... werden Menschen mit einer anderen Meinung zu einem der vielen sehr komplexen Themen, die derzeit Politik und Gesellschaft herausfordern, ganz schnell »abgestempelt« und in Schubladen geschoben. Das konstruktive Zuhören und Aufeinander-Eingehen in Zuspruch und Widerspruch findet kaum mehr statt. Das notwendige gemeinsame Ringen unterbleibt. Wer anders ist als man selbst, wird abgeschrieben und kann schnell zur Zielscheibe von bösen Attacken, von Hass und Verleumdung werden.

... verstärken sich radikalisiertes Denken und Reden in unserer Gesellschaft. Extreme Haltungen sind »sagbar« geworden und gewinnen an Einfluss, auch weil die sozialen Medien diese in Windeseile verbreiten und verstärken.

... ist mit vielen dieser Entwicklungen der Boden bereitet für verführerischen Populismus, scheinbar einfache Lösungsangebote, Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und die Pflege von Feindbildern. Nicht zuletzt führt das zu einem in Deutschland nicht mehr für möglich gehaltenen Aufblühen des Antisemitismus. Längst bewältigt geglaubtes, extremes nationalistisches Gedankengut breitet sich aus und nistet sich in den Köpfen der Menschen ein. Misstrauen und Hetze drohen unsere Gesellschaft auseinanderzutreiben.

 

Liebe Schwestern und Brüder in der Evangelisch-methodistischen Kirche,

mit diesen Zeilen wende ich mich an euch. Statt einer öffentlichen Erklärung, was »die Haltung der Evangelisch-methodistischen Kirche und der Menschen dieser Kirche ist«, liegt mir am Herzen, euch direkt anzusprechen. Das Zeugnis der Bibel und die daraus abgeleiteten »Sozialen Grundsätze« unserer Kirche sind unmissverständlich. Der Schrecken der beiden Weltkriege und die Gräueltaten des NS-Regimes führten dazu, dass im Nachkriegs-Deutschland und im inzwischen wiedervereinigten Deutschland der Schutz der unantastbaren Würde des Menschen bewusst im Grundgesetz verankert ist und als Richtschnur staatlichen Handelns dient. Extreme politische Gruppierungen und Parteien – egal welcher Couleur –, die diesen Grundsatz aufgeben oder untergraben, stellen sich außerhalb unserer gesellschaftlichen Ordnung und sind nicht zu akzeptieren.

Einige von euch beteiligen sich an den vielerorts stattfindenden Demonstrationen gegen menschenverachtenden Rechtsextremismus. Tut dies weiterhin mit Überzeugung und Klarheit. Doch tut dies mit menschenfreundlicher Gesinnung und einem klaren Blick, der auch inakzeptables Reden und Tun aus anderen Richtungen wahrnimmt und brandmarkt. Es ist beispielsweise auch nicht hinzunehmen, wenn bei pro-palästinensischen Demonstrationen der Terror der Hamas verharmlost, das Existenzrecht Israels bestritten und die Auslöschung des Staates Israel propagiert werden.

Es ist gut, auf den Marktplätzen mit vielen anderen zusammen gegen extremistisches Reden, Denken und Handeln einzutreten. Ungleich schwerer ist es, gerade in den Einzelbegegnungen des Alltags mutig und klar zu sein. Doch genau das ist nötig, um die in der großen Menge demonstrierte Einheit und Botschaft im Alltag zu leben.

Einige von euch meinen, dass eure Anliegen bei der AfD besser aufgehoben seien als bei den etablierten Parteien. Eure Beweggründe dafür mögen unterschiedlich sein. Ich vermute, dass die wenigsten von euch – wenn überhaupt – das in der AfD beförderte völkisch-nationale Gedankengut oder Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit für richtig und gut befinden. Bitte haltet euch offen für das Gespräch darüber und stellt euch kritischen Fragen. Zugleich erinnere ich euch daran: Seit ihrer Gründung ist es dieser Partei zunehmend schwergefallen, sich von rechtsextremem Gedankengut deutlich, klar und dauerhaft abzugrenzen. Inzwischen wurden Teile der Partei und einzelne Personen in herausgehobener, einflussreicher Stellung vom Verfassungsschutz als eindeutig rechtsextrem eingestuft. Darum bedenkt ernstlich, was ihr bei einer möglichen Stimmabgabe für diese Partei tatsächlich unterstützt.

 

Liebe Schwestern und Brüder, lasst uns ...
... versuchen, in unseren Gemeinden, am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft das Gespräch über die derzeitigen großen Herausforderungen zu wagen. Ich weiß, dass dies unglaublich schwierig ist. Manchmal herrscht der Eindruck vor, als könnte das überhaupt nicht gelingen, da die Wahrnehmungen und Überzeugungen derer, die miteinander kommunizieren sollten, komplett unterschiedlich sind. Dennoch! Das ernste, aufrichtige und klare Gespräch ist die einzige Alternative.

... einander als Menschen achten. Es ist leicht, übereinander zu sprechen. Dabei geschieht es schnell, einander nur noch als Gegner zu sehen. Das kann sogar dazu führen, im Gegenüber nicht mehr einen Menschen aus Fleisch und Blut zu sehen, nicht mehr einen Menschen mit Gefühlen und Bedürfnissen, nicht mehr einen Menschen als Ebenbild Gottes.

... versuchen, auf der Grundlage der klaren Ablehnung von völkischem Nationalismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt einander zuzuhören und aufeinander einzugehen.

... versuchen, ungeachtet unterschiedlicher politischer Überzeugungen, gemeinsam für Menschenwürde, Freiheit und Demokratie einzutreten.

... aufrichtig und mutig unsere biblische Überzeugung leben, dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus zur Welt gekommen ist und unter uns »das Wort von der Versöhnung« aufgerichtet hat. Als mit Gott versöhnte Menschen, werden wir zu Botschafterinnen und Botschaftern der Versöhnung (2. Korintherbrief 5,18-20). So sind wir beauftragt, zu versöhnen und nicht zu spalten, zu heilen und nicht zu zerstören, zu verbinden und nicht zu trennen. Dazu schenke uns Gott die nötige Kraft, den nötigen Mut und die nötige Weisheit.


Mit herzlichen Segensgrüßen,
Bischof Harald Rückert

nach oben