Es wächst ein neuer Spross

Predigtimpulse zu Römer 15

zum 3. Advent / 15. Dezember 2024[1]

 

Der Text: Römer 15 in Auszügen

 

4Alles, was in früherer Zeit dort aufgeschrieben wurde, wurde festgehalten, damit wir daraus lernen. Denn wir sollen die Hoffnung nicht aufgeben. Dabei helfen uns die Ausdauer und die Ermutigung, die wir aus der Heiligen Schrift gewinnen können. 5Diese Ausdauer und diese Ermutigung kommen von Gott. Er gebe auch, dass ihr euch untereinander einig seid – so wie es Christus Jesus angemessen ist. 6Dann könnt ihr alle miteinander Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, wie aus einem Munde loben. 7Daher bitte ich euch: Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat, damit die Herrlichkeit Gottes noch größer wird. …

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12Und schließlich sagt Jesaja: »Aus der Wurzel Isais wird ein neuer Spross hervorgehen. Er wird sich erheben, um über die Völker zu herrschen. Und auf ihn werden sie ihre Hoffnung setzen.«  13Der Gott, der Hoffnung schenkt,erfülle auch euch in eurem Glaubenmit lauter Freude und Frieden.So soll eure Hoffnungüber alles Maß hinaus wachsen durch die Kraft des Heiligen Geistes. (Text nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)

 

Liebe Lesende,

 

es sind diese kleinen Wunder, die man nicht mehr vergisst. Im Kirchengarten der Gemeinde im Bergischen Land musste ein Baum gefällt werden. Die einzelnen Baumscheiben wurden für eine Aktion im Gottesdienst im Abendmahlsraum aufgeschichtet und blieben dort einige Wochen liegen. Eines Tages drang ein grüner Spross aus der alten Baumrinde ans Tageslicht und aus dem alten Holz wuchs ein neuer Trieb – mitten in der Kirche.

 

Dieses alltägliche Wunder veränderte nicht nachhaltig die Aktivitäten in der Gemeinde, aber die frischen grünen Blätter waren lange Zeit ein Symbol der Hoffnung, dass auch hier in dieser Kirche noch Neues wächst und das Alte wieder grünen kann.

 

Ganz am Ende seines Briefes an die Gemeinde in Rom öffnet Paulus mit seinen Sätzen den Blick über die Dinge hinaus, die er vorher diskutiert hatte.

 

Es ging ihm im Brief darum, wie grundlegend sich die Beziehung zwischen Gott und Mensch verändert hat, weil Gott in seiner Gnade uns und alle geschaffene Kreatur einfach grenzenlos und ohne Vorbedingung liebt. Diese Liebe kann man sich nicht verdienen und sich auch nicht durch radikale Frömmigkeit erarbeiten. In einem nächsten größeren Abschnitt hat er beschrieben, was sich für die verändert, die mit der Taufe Teil der neuen Gemeinschaft in Christus geworden sind. Danach sucht er Bilder und Erklärungen, warum die christliche Gemeinde und die jüdische Gemeinde nebeneinander her leben und doch zusammengehören. Ein letztes Beziehungsfeld will er am Ende noch ansprechen und fragt nach, wie man es als Christ in der Gemeinde mit der politischen Obrigkeit halten soll, auch wenn man wegen des Glaubens Nachteile und Verfolgung erleidet.

Alles sehr schwergewichtige Themen und bis heute gehen die Diskussionen über diese Dinge in den Gemeinden Jesu in jeder Generation weiter.

 

Doch mit den letzten Sätzen des Briefes bricht Paulus aus den geschliffenen und gut überlegten Argumentationen aus und redet davon, warum wir in der Gemeinde Jesu hoffen.

 

Darum passt dieser Briefabschnitt gut zum 3. Advent. Der Grundtext für diesen Sonntag ist das Lobgebet des alten Priesters Zacharias, der erkennt, wie Gott mit der Geburt seines Sohnes und der Geburt des Kindes der Maria etwas Neues anfangen lässt. Das eine der Kinder, den wir heute als Johannes den Täufer kennen, wird später das Kommen des Messias ankündigen. Das andere Kind Jesus wird dieser Messias sein, der mitten in seinem Volk neu Gottes erlösende Liebe verkündigt.

 

Das Lobgebet des Zacharias unterstreicht: Gott öffnet nun ein neues Kapitel in seiner Geschichte der Schöpfung, der Fürsorge, der Befreiung und der Sorge für die Menschen seines Wohlgefallens. Paulus buchstabiert weiter, welche große Hoffnung sich darin versteckt, dass diese andere Zeit mit Christus und seiner Gemeinde angebrochen ist.

 

Bis heute dürfen wir in den Liedern, Texten und Worten an diesem Adventssonntag groß denken. Im anderen Umgang miteinander in der Gemeinde oder in den Zeichen der neu aufblühenden Natur wird die neue Zeit, die Gott schenkt, spürbar und sichtbar. Noch ist diese Zeit nicht vollendet und mit allem, was wir an Frieden und Hilfe brauchen, erfüllt, aber es hat sich etwas verändert. Das soll nun unter Menschen des Glaubens und Freunden Jesu den Alltag bestimmen.

 

Noch einmal nachgefragt: „…einander annehmen…“, und wenn das nicht funktioniert?

 

Die Zeit, die nun anbricht, braucht neben den guten Worten auch die Erfahrung einer Gemeinschaft, die anders ist.

 

Die letzten Monate haben immer neue Belege dafür in die Nachrichten gebracht, dass die Spaltungen in unseren Gesellschaften immer tiefer und grundsätzlicher werden.

Der brutale Terrorangriff auf junge tanzende Menschen und Siedler in ihren Dörfern am 7. Oktober 2023, der dann folgende Zerstörungs- und Vertreibungskrieg geben die Menschen in Gaza, die Eskalation des Krieges an der russisch-ukrainischen Grenze und der Sieg des Kandidaten bei der Präsidentenwahl in den USA, der seine Politik maximal auf Konfrontation ausrichtet, sind nur die großen Schlagworte der internationalen Politik der Spaltung und des Gegeneinanders.

 

In dieses Klima hinein hören wir: „Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat.“ Diese Aufforderung ist in unserer zerspaltenen Welt eine Provokation. Wie soll in der Kirche funktionieren, was in vielen öffentlichen Diskussionen täglich sichtbar scheitert?

 

Es wird funktionieren, weil wir nicht unseren Humanismus zeigen wollen, sondern Christi Liebe leben.

Wir sollen Praktiker und Praktikerinnen der versöhnten Gemeinschaft durch Christus mitten in den aktuellen Konflikten dieser Welt sein. Wir dürfen darum beten:

 

Gott hilf mir, nicht nur die, die ich mag und gut leiden kann anzunehmen und mit ihnen zu beten, sondern schenke mir Wege und das weite Herz, in der chaotischen Vielfalt an Eigenarten und Phänomenen und Spezialitäten in der Gemeinde auch die unangenehmen und ärgerlichen Mitgeschwister auszuhalten und mitzutragen.

 

So fängt nicht nur damals in Rom, sondern auch bei uns heute die neue Welt Gottes an.

 

Am Ende geht es um die von Gott geschenkt Hoffnung

 

Paulus hat noch eine andere Provokation in seinen Sätzen versteckt.

Nicht eine bessere Welt mit mehr ethischer Radikalität in der Gemeinde scheint für ihn den Weg Jesu auszumachen, sondern eine Grundhaltung des Lobes und der Freude an Gottes Gegenwart.

 

Ginge es ihm allein um eine andere Lebensordnung, hätte er bei den Dingen, die er zu seiner Zeit aus den verschiedenen Gemeinden hörte, verzweifeln und resignieren müssen. Es waren keine Heiligen, die sich in den Gemeinden trafen, und es brauchte Gottes heiligen Geist, damit etwas von der Heiligkeit bei den Geschwistern in den Gemeinden sichtbar und erfahrbar wurde.

 

Darum stellt er in seinem Brief etwas Anderes nach vorne.

Das Lob der Herrlichkeit Gottes durchbricht die Mauern zwischen Menschen und baut die Brücke zwischen Feinden. Es ist Gott allein, der den neuen mitmachenden Blick auf das Leben schenken kann. Paulus bringt dies im letzten Satz seiner Überlegungen auf den Punkt:

 

Der Gott, der Hoffnung schenkt, erfülle auch euch in eurem Glauben mit lauter Freude und Frieden. So soll eure Hoffnung über alles Maß hinaus wachsen durch die Kraft des Heiligen Geistes.

 

Bei Hans-Dieter Hüsch kann man lernen, wie das in unserer Zeit gar nicht so fromm auch anders gesagt werden kann:

 

Ich stehe unter Gottes Schutz, ich weiß das – seit geraumer Zeit.

ER nahm den Gram und das Bittere aus meinem Wesen und machte mich fröhlich.

Und ich will hingehen, alle anzustecken mit Freude und Freundlichkeit

auf dass die Erde Heimat wird für alle Welt durch seinen Frieden und unseren Glauben.

Schalom in Dorf und Stadt![2]

 

Amen.

 

 

 

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Ihr Günter Loos!

 

Pastor Günter Loos

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[1] Bild: Wikipedia – „Spross“ / CC BY-SA 3.0

[2] Siehe: Hans-Dieter Hüsch, Das Schwere leicht gesagt, 1994

 

Grenzenlose Freude wird sein

Predigtimpulse zu Jesaja 35, 3-10

Zum 2. Advent 2024 / 08. Dezember 2024[1]

 

Der Text: Jesaja 35, 3-10

 

3Macht die müden Hände wieder stark und die weichen Knie wieder fest. 4Sagt denen, die den Mut verloren haben: »Seid stark und habt keine Angst!

 

Seht, das ist euer Gott! Er übt Vergeltung und schafft Recht. Er selbst kommt, um euch zu befreien.« 5Dann gehen den Blinden die Augen auf, und die Ohren der Tauben werden geöffnet. 6Der Gelähmte springt wie ein Hirsch, der Stumme jubelt aus vollem Hals. In der Wüste brechen Quellen auf, und Bäche bewässern die Steppe. 7Der glühende Sand wird zu einem Teich, in der Dürre sprudeln frische Wasserquellen. Wo einst die Schakale hausten, wachsen Gras, Schilf und Papyrus.

 

8Eine Straße wird dort verlaufen, die wird man den »heiligen Weg« nennen. Kein Unreiner wird sie betreten. Sie gehört denen, die auf dem rechten Weg sind. Selbst Unwissende gehen nicht in die Irre. 9Auf dieser Straße gibt es keinen Löwen, kein Raubtier ist auf ihr zu finden. Nur die erlösten Menschen sind dort unterwegs. 10Alle, die der Herr befreit hat, kehren jubelnd zum Berg Zion zurück. Grenzenlose Freude steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Jubel und Freude stellen sich ein, Sorgen und Seufzen sind für immer verschwunden.

 (Text nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)

 

Liebe Lesende,

 

zwei Kinder und ein älterer Mann schaukeln gemeinsam. Das Bild entstand während eines Delegationsbesuchs des Flüchtlingswerks der EmK 2022 in Tschechien. Die beiden Mädchen waren mit ihren Müttern dort in einer Gemeinde untergekommen, nachdem sie wie viele tausend andere Kinder vor den russischen Bomben in der Ukraine geflohen waren. Hier erlebten die Kinder im Sommer nach den schlimmen Erfahrungen des Kriegsausbruchs wieder etwas Normalität und freuten sich beim unbekümmerten Spielen.

 

Kinder haben oft mehr als wir älter gewordene Menschen die Gabe, einfach das Schlimme und Bedrohliche abzuschalten und sich ganz im hier und jetzt am Leben zu freuen. Das Bibelwort aus dem Jesajabuch bietet uns an, diese kindliche Freude am Leben, wie es uns Gott in seiner Liebe schenken will, wieder zu entdecken.

 

Auch diese hoffnungsvolle Vision einer Welt, in der die Dinge wieder mit sich im Reinen sind, steht unter dem Vorbehalt des „Noch-nicht-ganz // noch-nicht-vollendet“. Die alten Propheten geben dem Advent konkrete Worte. Gott kommt zu uns und die grenzenlose Freude wird uns ins Gesicht geschrieben stehen. Freude, wie sie Kinder beim Spielen schon heute überall auf der Welt erleben.

Kann das sein, dass die grenzenlose Freude ausbricht? Eine Nachfrage beim Autor…

 

Bibeltexte sind in konkreten Situationen entstanden.

Vieles kann nach 2 ½ tausend Jahren nur spekulativ gesagt werden zu dem, was wohl zum Hintergrund eines alten Textes gehört, aber einiges lässt sich auch gut begründen.

 

Versuchen wir das einmal mit den Sätzen, die wir eben gelesen haben.

Der Autor der Sätze redete vermutlich im 6. oder 5. Jahrhundert v. Chr. zum Volk Israel. Hinter den Israeliten lag die Erfahrung der Zerstörung des Tempels in Jerusalem, der babylonischen Gefangenschaft und des Exils. Vermutlich sind die Exilierten bereits zurückgekehrt und leben wieder im Heiligen Land. Der Tempel in Jerusalem wird wieder aufgebaut, wenn auch nicht so schön und prächtig wie zuvor. Das Land lebt unter persischer Besatzung, das Volk ist also nicht wirklich frei. So hat sich zwar der große Traum der Rückkehr in die Heimat erfüllt und trotzdem ist nicht alles schön und wunderbar. Aber der Lebenskampf geht weiter. Viele Hoffnungen wurden enttäuscht. Es gibt nach wie vor Krankheit und Armut, die Wüste blüht nicht, Gefahren lauern überall. Die Menschen sind müde und erschöpft, Verzagtheit und Hoffnungslosigkeit machen sich breit.

 

Die Worte des Propheten richten sich an Menschen, die erfahren haben, dass die Erfüllung der Erwartung weit hinter dem zurückbleibt, was erträumt worden ist. Sie richten sich an Menschen, denen die Hoffnung verloren ging und denen die Enttäuschung in den Gliedern sitzt. Deren Herzen verzagt, deren Hände müde, deren Knie weich geworden sind.

 

Die Bilder der Verheißung, die er malt, sind Gegenbilder zu erlittenen Erfahrungen: Zu Wüstenzeiten, in denen die Seele zu vertrocknen scheint, wo nichts grünt und blüht, wo alles trocken und erstarrt scheint.[2]

 

Die Bilder des Propheten wecken die Fantasie dafür und die Hoffnung darauf, wie die Welt auch sein könnte. Und wer neu hofft, wird nicht einfach im alten Trott weitergehen.

 

Und heute?

 

Unsere eigene Erfahrung spiegelt sich erschreckend in den Hintergrundbildern des Bibelwortes. Mit viel Hoffnung wurden Veränderungen angegangen, die dem Verbrauch der Ressourcen unseres Planeten Grenzen setzten sollten. Die neusten Entscheidungen und der Kampf um verbindliche Regeln in der Politik für ein besseres Klima auf diesem Planeten wecken viel Enttäuschung. Aus den mutigen Anfängen sind heute halbherzige Entscheidungen gewachsen.

 

Der Frieden für unsere Welt schien 1989 so nahe zu sein, aber 35 Jahre später erlebt dieser Planet einen Wettstreit zwischen denen, die mit harter Hand und mit Gewehren und Bomben die Grenzen neu ziehen wollen.

 

In unseren Familien wir besorgt gefragt, ob die nächste Lohn- und Rentenerhöhung noch zu verantworten ist und die Zuversicht geht vielen verloren. Die Ziele, die wir uns setzen, werden wieder kleiner.

 

Und immer noch malen die biblischen Worte Bilder der Hoffnung in unseren nüchternen Alltag hinein.

Die Resignation wird nicht ewig regieren und die, die schwach sind, werden eines Tages wieder kräftig mit anpacken können.

 

Körperlichen Einschränkungen und Krankheiten können überwunden werden und warum soll mit einem neuen Hörgerät unser Ohr nicht wieder das hören, was viele Jahre lang der Taubheit geopfert wurde?

Das Land wird von sicheren Straßen durchzogen sein.

In Brasilien habe ich vor einigen Jahren erklärt bekommen, dass sich LKWs zu größeren Konvois für ihre Überlandfahrten zusammentun, weil sie damit nicht zur leichten Beute von Räubern werden. Auch in den abgelegenen Gegenden der Welt, so malt es der Text uns vor Augen, wird die Willkür und der Terror nicht mehr das letzte Wort haben.

 

Bis heute stellen die biblischen Bilder der Realität von Angst und Sorgen etwas ganz anderes entgegen. Hier wird keine heile Welt in den Krieg und die Zerstörung hineingeträumt, sondern von dem geredet, der trotzdem da ist und den Lauf der Dinge in seiner Hand hält.

 

Es ist der Schöpfer des Himmels und der Erde, Gott selbst, der die grenzenlose Freude auch in diesen Zeiten in uns wecken kann. Sie erfüllt uns leider viel zu selten, aber so weit weg ist sie dann doch nicht, wenn in dieser dunklen Jahreszeit überall wieder Kerzen angezündet werden.

Amen.

 

 

 

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Ihr Günter Loos!

 

Pastor Günter Loos

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[1] Bild: UMNews, Mike Dubois. Ref. Amik bei einem Besuch eines Flüchtlingscamps in Tschechien 2022

[2] Diese Gedanken hat Pfr. Claudia Brinkmann-Weiss formuliert. Siehe: Gottesdienstpraxis, 1.Reihe, Bd.1, Gütersloh 2024

Wandel säen

Predigtimpulse zum Brot-für-die-Welt Motto 2024

zum 1. Advent /

01. Dezember 2024[1]

 

Liebe Lesende,

 

lesen Sie die Zahl vor der Ankündigung der neuen Aktion von Brot-für-die-Welt?

1959 wurde zum ersten Mal für Spenden unter dem Motto „Brot-für-die-Welt“ geworben und in diesem Jahr startet die 66. Aktion. Ziel war es damals, die Hungersnot in Indien zu beenden. Beachtliche 18 Millionen Mark wurden dafür gesammelt und – so notiert es das Lexikon[2] - 5 Millionen Mark kamen damals aus dem Bereich der Kirchen in der DDR.

 

Die Arbeit ist immer weitergewachsen und in der letzten Jahresbilanz für 2023 wurden 75 Millionen Euro Spenden und Kollekten aufgelistet. Mit weiteren Geldern aus entwicklungspolitischen Projekten, die die Landeskirchen und auch unsere Kirche direkt fördern, und Gegenfinanzierungen aus dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) konnte Brot-für-die-Welt 338 Millionen € an Förderung und Unterstützung an 1800 Projekte weltweit weitergeben.

 

Damit ist der Hunger in dieser Welt auch nach 65 Jahren nicht besiegt, aber an vielen Orten ist etwas in Bewegung gekommen. Entscheidende Ursachen für Hunger und ungerechte Ressourcenverteilung konnten durch verschiedene Initiativen und Projekte beseitigt oder eingedämmt werden. Wie vor einem Jahr heißt das Motto einfach „Wandel säen“. Mit unseren Möglichkeiten werden wir den Hunger vieler Menschen nie stillen können, aber wir dürfen mithelfen, dass für Menschen neu Hoffnung wächst und sie ein besseres Auskommen haben. Wir säen mit unserem Geld und hoffen darauf, dass Gottes Lebensgeist in den Initiativen von Partnern in Kirchen, Kooperativen und regionalen Bündnissen Türen öffnet und sich die Situationen vor Ort substantiell verändern.

 

Gleichzeitig verbindet sich seit langem dieses Engagement von Christen in der Adventszeit mit den Texten von Jesu Einzug in die Stadt zu Beginn der Adventszeit und der Geburt des Menschen- und Gotteskindes an Heiligabend. Unser Werben für eine andere Welt und mehr Gerechtigkeit im Alltag vieler Menschen weltweit wächst aus dem Glauben, dass Gott unterwegs zu uns ist. Noch kann man diese himmlische Bewegung nur erahnen und mit den biblischen Texten im Hinterkopf sensibel darauf achten, worauf es ankommt, wenn unser Herr kommt.

 

Wir träumen uns mit den vielen Symbolen, Lichtern und guten Dingen in der Adventszeit keine bessere Welt herbei, aber wir protestieren gegen die, die andere in ihren abgrundtiefen Nöten und Sorgen aufgegeben haben. Es geht um Arbeit und Hilfe, die z.B. aus einem abgeschriebenen Dorf wieder ein Gemeinwesen macht, in dem Kinder großwerden können und Eltern einen fairen Lohn für ihre Arbeit und ihre produzierten Lebensmittel bekommen. An diesen Orten wird sichtbar, was es heißt, dass Gott wieder zu den Menschen kommt.

 

 

 

Gott kommt in die Stadt

 

Die Bibel wiederholt sich oder, wie es Dagmar Pruin die Präsidentin von Brot-für-die-Welt schreibt[3], „…die Bibellesungen scheinen aus dem Takt gekommen zu sein. Wir warten auf das Kind in der Krippe – und wir hören vom Einzug des erwachsenen Gottessohnes in der Stadt Jerusalem.“

 

Mit dem Ende, dem Anklang an die Kreuz- und Auferstehungsgeschichte, fängt die Erzählung von Jesus in der Adventszeit an. Erinnern Sie sich, was da erzählt wird?

 

Feststimmung liegt über der Stadt Jerusalem. Bald wird wieder überall in den Häusern Passah gefeiert und man freut sich an der Mutmachgeschichte der Rettung des Volkes aus der ägyptischen Tyrannei vor vielen Generationen, die nun überall wieder erzählt wird. Jeder will mit dabei sein und es ist viel los auf den Straßen.

 

Auch Jesus ist mit seinen Freunden unterwegs. Er hat etwas im Sinn, was die anderen noch nicht ganz verstehen. Er will auf einem Esel reiten. So war es sonst gar nicht seine Art. Auf dem Esel waren die unterwegs, denen das Laufen schwerfiel oder die zeigen wollten, dass sie es sich leisten konnten. Bei Jesus traf weder das eine noch das andere zu. Doch er wollte auf diesem Esel durch die Tore der Stadt reiten. Warum?

 

In den alten Prophetentexten konnte man nachlesen: „Sage zu der Tochter Zion: Siehe dein König kommt zu dir! Er ist freundlich und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel“.[4] Als tun die Jünger, was Jesus von ihnen verlangt. Sie suchen einen Esel, er sitzt auf dem Tier und so ziehen sie durch das Stadttor.

 

Einige kennen diese alte Verheißung der Propheten und sie haben gehört, was Jesus im Land getan und geredet hat. Für sie ist dieser Wanderprediger der Bote Gottes, der Messias, auf den sie schon lange warten. Also bereiten sie ihm einen Empfang, wie es sich für Könige und Fürsten gehört: sie rollen für Jesus den roten Teppich aus indem sie ihre Mäntel und Decken auf die staubige Straße legen. Sie schneiden Palmwedel von den Bäumen, damit Jesus im Schatten der Zweige in die Stadt unterwegs ist und nicht der prallen Mittagshitze ausgeliefert ist. Ihre Begrüßung für Jesus bringt auf den Punkt, worum es ihnen geht: „Hosianna dem Sohn Davids! Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt! Hosianna in himmlischer Höhe!“

 

Wenn wir diese Geschichte in einem knappen halben Jahr am Palmsonntag wieder hören, dann verbinden wir die schönen Bilder vom Einzug in die Stadt mit den Szenen vom Verrat, der Verhaftung und der Hinrichtung Jesu. Doch auch das leere Grab und die Botschaft vom Sieg des Lebens über dem Tod könnten werden in uns wachgerufen.

 

Am 1.Advent biegen unsere Gedanken bei dieser Geschichte in eine ganz andere Richtung ab.

Da kündigt sich etwas an.

Da warten wir darauf, dass die wunderbare Menschwerdung Gottes neu passiert.

Die große Hoffnung für diese Welt klingt an.

Bei dem „Hosianna, gelobet sei, der kommt im Namen des Herrn“ hören wir schon mit: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“Lukas 2,13 

 

Unser Blick geht über das, was als nächstes kommt, hinaus. Nicht die Leidensgeschichte, die sich nun ankündigt, steht im Mittelpunkt, sondern die Hoffnung, dass Gottes Kommen alles verändern kann, wird in uns wachgerufen. Dafür lohnt es sich dort hinzuschauen, wo die Dinge nicht funktionieren. Dort wird man Gottes liebendes Engagement für diese Welt neu entdecken können.

 

 

Ein Stück zurechtgerückt…

 

Dagmar Pruin formuliert noch zu einem anderen Gedanken, warum Brot-für-die-Welt und die Adventsbotschaft zusammengehören.

 

„`Wenn der Messias kommt, so wird er nichts anders tun, als die Welt ein winziges Stück zurechtzurücken´, so hat es ein Rabbiner in New York einmal formuliert. … Die Welt muss garnicht auf den Kopf gestellt werden, damit Gerechtigkeit und Frieden blühen – es ist doch alles da. Wir produzieren die zweieinhalbfache Menge an Lebensmitteln, die wir bräuchten, um alle satt zu machen. Niemand müsste hungern, niemand darben, niemand verzweifeln. Wir müssten nur ein wenig zurechtgerückt werden.“

 

Dieses Zurecht-gerückt-werden wollen wir erfahren in dieser Adventszeit.

Dafür beten wir und darum vertrauen wir darauf, dass der, der zu uns kommt, auch der ist, der nun schon mit uns unterwegs ist.

Amen.

 

 

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Ihr Günter Loos!

 

Pastor Günter Loos

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[1] Bild: aktuelles Logo der Brot-für-die-Welt Aktion

[2] Siehe Wikipedia, Nov. 2024 zu „Brot-für-die-Welt“

[3] Siehe Materialheft „Wandel säen“ von Brot-für-die-Welt 2024, S. 29

[4] Aus den Zitaten in Jesaja 62,11 und Sacharja 9,9 ist die Formulierung entstanden.