Jenseits aller Hirtenromantik

Predigtimpulse zu Johannes 10, 11-16

zum Sonntag

Misericordia Domini /

04. Mai 2025[1]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Text: Das Gleichnis vom guten Hirten – Johannes 10, 11-16

 

11»Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte setzt sein Leben ein für die Schafe.

12Anders ist das bei einem, der die Schafe nur für Geld hütet. Er ist kein Hirte, und sie gehören ihm nicht: Wenn er den Wolf kommen sieht, lässt er sie im Stich und läuft weg. Und der Wolf reißt die Schafe und jagt die Herde auseinander.13Denn so ein Mensch hütet die Schafe nur für Geld, und ihm liegt nichts an den Schafen. 14Ich bin der gute Hirte.

 

Ich kenne die, die zu mir gehören, und die zu mir gehören, kennen mich. 15Genauso kennt mich der Vater, und ich kenne ihn. Ich bin bereit, mein Leben für die Schafe einzusetzen. 16Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall kommen. Auch die muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören. Alle werden in einer Herde vereint sein und einen Hirten haben. (Text nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)

 

 

Liebe Lesende,

 

Kleider machen auch Leute, aber vor allem zeigen führende Persönlichkeiten durch ihr Auftreten, wie sie ihre Aufgabe erledigen wollen.

 

Während der Trauerzeit für Papst Franziskus haben unzählige Berichte darauf hingewiesen, was nicht die Sache dieses Mannes war: Prunk und äußerliche Herrlichkeit. Er zog die roten Schuhe, die traditionell zum Aufzug eines Papstes in Rom gehört, nie an und ließ auch die roter Samt Robe mit einem Edelstein besetztem Kreuz in der Kleiderkammer des Vatikans liegen. Sein Sache war die schlichte weiße Albe und der kleine Fiat, mit dem er auf Staatsbesuch und Fahrten in der Stadt ging. Franziskus war ein Papst für die Menschen, die die Gemeinden am Leben halten oder die Gott an den Rändern unserer Gesellschaft suchen.

 

Der ukrainische Präsident ist von seinem Gastgeber rausgeworfen worden, weil er bei der Audienz im Weißen Haus in Washington nicht in feinem Zwirn erschien, sondern in der Kleidung der einfachen Soldaten in der Ukraine. Er ist Präsident in Kriegszeiten und jeden Tag ist seine Sorge, wie sein Land und die Menschen am Ende aus diesem Krieg wieder herauskommen können ohne alles zu verlieren. Er leitet, in dem er sein Land verteidigt.

 

Weil dieser präsidiale Rauswurf in Washington immer noch überall in den Medien abrufbar ist, lohnt es sich mal auf die Kleidung der Gastgeber zu achten. Sie sind in der Mehrheit Männer, die sich in Businesskleidung in verschiedenen dunklen Tönen präsentieren. Solche Kleidung findet sich bei Geschäftstreffen oder Meetings und in den führenden Büros von Firmen und Institutionen. Da wird geleitet und gemanagt. Das Geschäft muss laufen, der Laden darf sich keine Fehler erlauben und immer gibt es jemand, der einen nicht gut gesinnt ist und zum Konkurrenten wird. Der Staat wird zu einem Unternehmen, wo am Ende der Gewinn zählt und nicht die Sorge um die Schwachen in der Gesellschaft.

 

Wie ist Jesus aufgetreten? Was war seine Botschaft an Menschen, die ihm begegneten?

Es gibt wenig Notizen zu seinen Lieblingskleidern und Gewändern. Vermutlich hatte er nur das, was er auf dem Leib trug. Unter dem Kreuz wird dieses in einem Stück gewebte Gewand dann beim Losen an jemand anderes weitergegeben. An seinem Outfit wurde nicht lange genäht oder Schmuckborden aufgesetzt. Er war ein einfacher Mensch, der nicht durch seine sichtbare Pracht um Autorität und Zustimmung warb. Jesus war und ist der gute Hirte.

 

Gute und schlechte Hirten

 

Hirten trifft man in der modernen Gesellschaft nur noch selten bei ihrer Arbeit.

Unser Schafzüchter in der Region fährt mit einem großen Anhänger seine Herde auf ein eingezäuntes Areal, wo die Tiere dann die Reste, die von der Ernte der Maschinen übriggeblieben wurden, fressen. Nebenbei düngen die Tiere das Feld mit ihrem Dung. Nach einigen Tagen kommt der Hirte wieder und bringt sie auf ein nächstes Feld in einer anderen Gegend, wo sie dann weiter fressen können. Hirten arbeiten mit ihren Herden angepasst an eine technisierte Welt, die auch in der Landwirtschaft genaue Regeln und Gesetze für fast alles hat, was die moderne Lebensmittelproduktion betrifft.

 

Doch man sieht auch diesen Schafhirten an, wie sie zu ihrer Arbeit stehen.

Einige überlassen die Tiere bei Nacht ihrem Schicksal, andere sichern durch ein eng eingezäuntes Gatter die Tiere und verbringen in einem kleinen Wohnwagen die Nacht auf den Feldern.

 

Weil die Angriffe in den wilden und kargen Steppen in Palästina zurzeit Jesu von großen Raubtieren und Dieben ausgingen, war es immer auch ein riskanter Job, dem sich Hirten mit ihren Herden zu stellen hatten. Einige wehrten sich gegen die Angreifer und kämpften für ihre Herden. Sie riskierten Verletzungen und auch ihr Leben. Andere opferten lieber einige Tiere der Herde, aber schauten, dass sie selbst und möglichst viele Schafe in der Herde irgendwo versteckt den Angriff eines Wolfsrudels überlebten. Die guten Hirten gingen für ihre Tiere Risiken ein und verteidigten sich und ihre Herde gegen Angriffe. Aber sie halfen auch den Mutterschafen bei der Geburt oder schützten die Neugeborenen Lämmer.

 

Jesus unterstreicht in seinen Worten zum guten Hirten, dass Hirten sich nicht äußerlich bei ihrer Arbeit unterscheiden, sondern in der inneren Motivation für ihr Engagement. Den, der nur durch die gute Bezahlung und den schnellen Gewinn bei seiner Arbeit antrieben wird, hat wenig Emotionen für die, die ihm oder ihr anvertraut sind. Wer seine Arbeit als Dienst und Aufgabe an anderen versteht, vergisst vielleicht alle Überstunden aufzuschreiben, aber es wachsen gute und wichtige Beziehungen

 

Lassen wir uns auf ein Gedankenspiel ein:

wie würde Jesus in unserer Welt andere führen und leiten?

 

Denken sie an ihren Betrieb, in dem Sie arbeiten oder gearbeitet haben.

Überließ der Abteilungsleiter die kritischen Dinge seinen Mitarbeitenden und war nur präsent, wenn irgendwo gegen seine Autorität gefrotzelt wurde? Hat jemand so erklärt und geholfen, dass man selbstständig und gut arbeiten konnte?

Denken Sie an die Schule.

Geht es darum, alle durch den Betrieb zu schleusen und am Ende dann über die erbrachten Leistungen zu urteilen oder fragt man nach der Förderung von Gaben und Möglichkeiten, die Kinder mit in die Schule bringen?

 

Was würde Jesus machen, um uns auf die gute Weide im Leben zu führen und uns Schutz und Sicherheit zu ermöglichen? Ich habe eine Vermutung: Jesus schaut nicht zu, sondern er probiert das Leben mit uns aus und geht Kreuz- und Auferstehungswege mit.

 

Jesus ist nicht der bessere Pädagoge oder Chef, aber Jesus fragt zuerst danach, was seine Leute brauchen für das Leben, bevor er eine große Theorie aufstellt, was das Leben und das Ziel des Lebens ist. Die Liebe ist der Schlüssel, um Jesu Hirtenidee zu verstehen.

 

Auch die Anderen sieht der gute Hirte

 

In einem zweiten Gedankenkreis weitet Jesu den Blick auf den guten Hirten. Dieser Hirte des Lebens hat nicht nur die im Blick, die nominell zu seiner Herde gehören, er kümmert sich auch um die Andere.

 

Wenn die Gemeinde Jesu gut versorgt ist, das heißt, wenn alle, die dazugehören, genährt und geschützt ihren Platz gefunden haben, ist die Arbeit noch nicht vorbei. Der gute Hirte schaut auch nach denen, die ohne Hirten unterwegs sind: 16Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall kommen. Auch die muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören.

 

Jesus sprengt an dieser Stelle das Hirtenbild, dass uns und den Zuhörern damals gut vertraut war. Jeder Hirte sammelte seine Schafe, die ihm anvertraut waren und für die er ein Honorar bekam aus den Ställen im Dorf ein und man kümmerte sich um diese Tiere, die einem anvertraut waren. Wie sollte das gehen, wenn ein Hirte nun auch noch auf die Tiere in anderen Herden achten sollte?

 

Ich las im Frühjahr in einer alten englischen Biographie zum Leben von John Wesley. Dem Pfarrer der anglikanischen Kirche und Dozent in Oxford begegnete auf seinen Reisen im England des 18. Jahrhunderts die Wirklichkeit, in der einfache Menschen in den Dörfern ihren Alltag gestalten mussten.

Wenn er in einen Ort kam und beobachtete, dass Kinder ungepflegt und verwahrlost auf der Straße spielten, Menschen betrunken auf der Straße saßen oder er mit Flüchen und aggressiven Kommentaren gegrüßt wurde, dann sah er nicht zuerst die notwendige diakonische Hilfe, die hier geleistet werden musste. Er ritt in das Dorf und fragte sich, ob Jesu Macht und Gottes Heiliger Geist die Kraft haben, an diesem Ort die unguten Geister zu vertreiben und den Menschen Glauben und Hoffnung zu geben.

 

Jesus nennt einen Schlüssel, wie dieser Geist des Lebens lebensfeindliche Orte verändern kann. Menschen müssen seine Stimme hören (siehe V. 16b!)

Die Stimme Jesu braucht in unserer Zeit moderne Medien, um gehört zu werden. Sie braucht aber auch Menschen, die sich den nervigen und anstrengenden Gesprächen stellen und Kümmerer. Wo jemand hinschaut und mitüberlegt, wie man Streit beilegen kann, oder Geld nicht nur für diesen Tag, sondern für ein würdevolles Leben jeden Tag organisiert werden kann, da kommt der gute Hirte Jesu zu „den Anderen“. Diese Menschen bringen nicht zuerst die praktische Hilfe mit, sondern die Überzeugung und den Glauben, dass Gottes Liebe und Gnade mit niemandem auf dieser Welt schon fertig ist.

 

Die Revolution des Glaubens geht viele kleine Schritte, doch am Ende merken Menschen, dass sie nun mit dem guten Hirten in ihrem Leben unterwegs sind. Amen.

 

 

 

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Ihr Günter Loos!

 

Pastor Günter Loos

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[1] Bild: pixabay.com/jarekrafik

Hoffnung haben – was für ein Geschenk!

Predigtimpulse zu 1. Petrus 1, 3-9,

zum Sonntag Quasimodogeniti /

 27. April 2025[1]

 

Der Text: 1. Petrus 1, 3-9

 

3Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn

Jesus Christus. In seiner großen Barmherzigkeit hat er uns neu geboren. Denn er hat uns eine lebendige Hoffnung geschenkt, weil Jesus Christus von den Toten auferstanden ist.

4Es ist die Hoffnung auf ein unvergängliches Erbe, das rein ist und nie seinen Wert verliert. Das hält Gott im Himmel für euch bereit, 5und er bewahrt euch durch seine Macht. Ihr sollt durch den Glauben gerettet werden. Das wird am Ende der Zeit offenbart werden. 6Darüber könnt ihr euch freuen.

Aber es ist trotzdem nötig, dass ihr jetzt noch eine kurze Zeit leidet. Denn ihr werdet auf verschiedene Arten geprüft werden. 7Dadurch soll sich zeigen, ob euer Glaube echt ist. Denn er ist wertvoller als vergängliches Gold, das im Feuer gereinigt wird.

 

Dafür werdet ihr Lob, Herrlichkeit und Ehre erhalten, wenn Jesus Christus wieder erscheint. 8Ihr liebt ihn, obwohl ihr ihn nicht gesehen habt. Ihr glaubt an ihn, obwohl ihr ihn jetzt nicht seht. Deshalb könnt ihr jubeln in unaussprechlicher Freude, die schon von der künftigen Herrlichkeit erfüllt ist. 9So erreicht ihr das Ziel eures Glaubens: eure endgültige Rettung.

(Text nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)

 

 

Liebe Lesende,

 

Hoffnung zu haben, ist nicht selbstverständlich.

Viele Hoffnungskiller sind unterwegs. Sie ersticken, verderben oder vergiften die Hoffnungen von Menschen. Für die einen sind es die nicht abreißenden Kriegsnachrichten aus der Ukraine, dem Gaza oder nun immer häufiger aus dem Sudan. Andere ertragen es einfach nicht mehr, die willkürlichen und zynischen Äußerungen eines mächtigen Präsidenten, der immer wieder seine Meinung ändert, im Gespräch mit anderen kommentieren zu müssen.

 

Oft leben wir unter dem dunklen Himmel mit dem sterbenden Christus. Kein starker Glaube bewahrt uns davor, zu verzweifeln, wenn man die Grenzfälle des Alltags erlebt oder beim Hören schlimmer Nachrichten erschrickt. Hat uns trotz der Osterzeit unser Herr im Stich gelassen?

 

Christen am Ende des 1. Jahrhunderts erlebten in Kleinasien, in den nördlichen Gebieten der heutigen Türkei und des Kaukasus, viel Passion und Leiden mit ihrem Herrn. Sie wurden dort von der römischen Obrigkeit drangsaliert und von den jüdischen Gemeinden als unliebsame Konkurrenten angegangen. Ihr Gemeindeleben war nicht von den täglichen Osterwundern, sondern von dem Alltag eines langsam sich etablierenden Christentums geprägt, dem aber oft die charismatischen Erfahrungen der früheren Generation fehlte.

 

Doch diese Gemeinden bewahrten einen Brief auf, den viele bis heute lesen. Dort wird nicht von den Karfreitagsschatten über der Gemeinde geredet. Begeistert wird von der Hoffnung, die Christi Auferstehung schenkt, geschrieben und Gott gelobt.

 

1. Es ist wahr - ...und Gott ist da!

 

Unser Briefschreiber erlebt die unsichtbare Kraft der Gegenwart Gottes so, dass er sie uns in seinen Worten fasst hörbar und spürbar machen kann. Keine Hoffnung, die man so beschreiben kann, ist Theorie, sondern sie kommt aus einer Wirklichkeit, die jemand erlebt. Gott ist jetzt da und das bleibt die Wahrheit in der Zeit nach dem Ostersonntag. Gottes Güte ist wahrnehmbar und erschließt sich auch denen, die nicht am Ostermorgen den Auferstandenen sehen konnten.

 

Der Petrusbrief lädt bis heute ein, selbst die Erfahrung einer lebendigen Begegnung mit Christus zu suchen. Ostern will immer noch mitten in dieser Welt passieren. Neues Leben wird erweckt mitten unter uns durch Gottes Geist. Das passiert dort, wo die dunklen Wolken uns den Mut nehmen und das Schlimme zu siegen scheint.

 

2. Die „trotzdem Hoffnung“ des Glaubens

 

Der Glaube lebt aus dem „trotzdem“ heraus. Trotzdem oder wie es in dem alten Brief heißt: 6Darüber könnt ihr euch freuen. Aber es ist trotzdem nötig, dass ihr jetzt noch eine kurze Zeit leidet.(V.6)

 

Diese Hoffnung sagt trotzdem ja zu Christus und gibt nicht klein bei, wenn man ihr den Glauben absprechen will und ihn klein redet. Diese Hoffnung erlebt Angriffe und Anfechtungen. Persönliche Sehnsüchte setzen jemand der Versuchungen aus. Wichtiges wird in Frage gestellt und ist für uns nicht mehr überzeugend. Andere greifen uns an und man ringt mit den richtigen Antworten oder schweigt einfach.

 

Die Hoffnung, die so euphorisch im Brief beschrieben wird, ist eine engagierte und immer wieder auch kämpferische Hoffnung. Sie ist gebunden und festgemacht an Christus, der als Herr in dieser Welt mit uns unterwegs ist.

 

Trau der lebendigen Osterhoffnung etwas zu!

Stell dich den Anfechtungen, denn Du stehst nicht allein da!

Christus selbst will ermutigen. Lassen wir es zu!

 

Bei einem Prediger und Lehrer aus dem Süden der USA, Thomas Long, fand ich eine Geschichte, die beschreibt, wie diese Hoffnung konkret wird. Er berichtet, dass in seiner Heimatstadt die Ku-Klux-Klan Anhänger regelmäßig durch die Stadtteile der afro-amerikanischen Bürger zog. Bis in die sechziger Jahre symbolisierte diese Bewegung den Hass und den Rassismus in vielen Gebieten der USA.

Dann änderte sich etwas und durch Prediger wie Martin Luther King gewannen Menschen neue Hoffnung und Mut. Als Mitte der 60ziger Jahre im letzten Jahrhundert der Ku-Klux-Klan wieder auf seinem Marsch in den Stadtteil der „Schwarzen“ einbog, hatten die Leute die Fenster und Türen aufgemacht und standen an der Straße. Sie lachten über den Mummenschanz der weiß verkleideten Angstmacher, die an ihnen vorbeimarschierten. Der Ku-Klux-Klan zog danach nie wieder durch diesen Stadtteil. Die frohe Hoffnung hatte die Angst besiegt!

 

3. Hoffnung auch ohne Beweis und Sicherheiten...

 

Als ein Prediger die Thomasgeschichte im Gottesdienst auslegte, fragte er in die Gemeinde:

„Hat Thomas oder hat Thomas nicht?“

 

Legte der Jünger Jesu seine Hand auf die Wunde Jesus oder beließ er es bei den zweifelnden Worten? Hat Thomas die Nägelmale berührt oder glaubte er auch ohne diesen letzten Beweis. Der Bibeltext ist nicht ganz eindeutig. Jesus fordert Thomas auf, ihn zu berühren, aber glaubte Thomas erst dann?

 

Glauben wir, trotz unserer Zweifel, erst, wenn wir den letzten Beweis gefunden haben, oder beweist sich unser Glauben darin, dass Gott sich nicht noch malbeweisen muss?

 

Es bleibt was offen, für jeden von uns, die wir mit Christus unterwegs sind und sein wollen. Unser Bibelwort stellt diese Offenheit in einen weiten Horizont:

8Ihr liebt ihn, obwohl ihr ihn nicht gesehen habt. Ihr glaubt an ihn, obwohl ihr ihn jetzt nicht seht. Deshalb könnt ihr jubeln in unaussprechlicher Freude, die schon von der künftigen Herrlichkeit erfüllt ist. 9So erreicht ihr das Ziel eures Glaubens: eure endgültige Rettung.“

 

Heute fehlt uns noch was, um sicher zu sein.

Doch was jetzt fehlt, wird kommen und würde, wenn es jetzt schon da wäre, nicht helfen, besser zu glauben. Denn was da fehlt, der letzte Beweis um unsere Gewissheit sicher zu machen, gehört in eine andere Zeit, wo Christus mit jedem von uns in seiner Ewigkeit Gemeinschaft haben will.

 

Christus schenke uns, dass wir dankbar, wie damals die Christen in Kleinasien, von der Hoffnung schwärmen können, die uns niemand und nichts nach Ostern am Ende wird nehmen können.

 

Denn unser Herr lebt!

Amen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Ihr Günter Loos!

 

Pastor Günter Loos

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[1] Bild: Gemeindebrief 2/2024, Grafik Pfeffer

Es trägt noch

Predigtimpulse zu Jeremia 50, 4-0

zum Sonntag Palmarum / 13. April 2025[1]

 

Der Text:

Jesaja 50, 4-9 - Der Knecht vertraut auf Gott

 

 

4Gott, der Herr, nimmt meine Zunge in die Lehre. Als sein Schüler kann ich dem Erschöpften ein Wort zusprechen, das ihm Mut macht. Jeden Morgen öffnet er mir die Ohren. So kann ich auf ihn hören, wie ein Schüler auf seinen Lehrer hört. 5Gott, der Herr, hat mir die Ohren geöffnet.

 

Ich habe mich nicht verschlossen und mich seinem Auftrag nicht entzogen. 6Als sie mich schlugen, habe ich ihnen den Rücken dargeboten. Als sie mir den Bart ausrissen, habe ich meine Wangen hingehalten. Mein Gesicht habe ich nicht verhüllt, als sie mich beschimpften und anspuckten.

 

7Aber Gott, der Herr, steht mir bei. Darum lasse ich mich nicht einschüchtern. Ich mache mein Gesicht hart wie einen Kieselstein. Denn ich weiß, dass ich nicht enttäuscht werde. 8Gott ist mir nahe, er setzt mein Recht durch. Wer will mich da noch anklagen? Der soll ruhig mit mir vor Gericht ziehen! Wer will mein Recht anfechten? Der soll nur kommen!

9Ja, Gott, der Herr, steht mir bei. Wer will mich da noch verurteilen? All meine Gegner zerfallen wie ein Kleid, das von Motten zerfressen ist.

(Text nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)

 

 

Liebe Lesende,

 

ganz in der Nähe unserer Wohnung steht dieser alte Schuppen, den Sie oben sehen. Auf den 1. Blick scheint er bald zusammen zu fallen. Doch der Besitzer hat alles erneuert und repariert, was tatsächlich die Stabilität des Gebäudes gefährdet. Das Gebäude hat seine besten Tage erlebt, aber es steht wieder solide da und schützt, was immer unter seinem Dach abgestellt wird.

 

Ein Bibeltext am Palmsonntag gelesen und meditiert braucht diese Widerstandskraft unseres Schuppens. Der Sonntag beginnt mit der Geschichte der Ankunft Jesu in Jerusalem, die mit viel Jubel und Freude verbunden war. Doch dann beginnt die Erzählung in den Bibelworten an diesem Sonntag umzukippen. Der Blick hin zum Karfreitag und der Erinnerung an Gewalt und Leid öffnet sich.

 

Ob mein Glaube und meine inneren Überzeugungen noch tragen (…und von Gott getragen werden!), wenn mir vieles in meinem Inneren wie ein windschiefer und Einsturz gefährdeter Schuppen vorkommt?

 

Auf sehr verschlungenen Wegen antwortet der Text aus Jesaja 50 auf den fröhlichen Jubel beim Einzug Jesu in Jerusalem. Der vermutliche Autor der Sätze Im Jesajabuch hatte in Jerusalem den Menschen vorgehalten, wie blind und selbstbezogen sie über das eigene Leben dachten und Gott dabei vergessen hatten. Der Prediger wurde dafür öffentlich misshandelt und gedemütigt.

 

Doch einige Jahre später erinnerten sich die, die damals diesem Prediger zugehört hatten, an seine Sätze. Der Krieg hatte inzwischen Jerusalem zerstört und der Stadt ihrer Schönheit beraubt. Viele mussten als Deportierte und Vertriebene in Babylonien einen neuen Anfang mit ihren Familien suchen. Doch die, die nach Gott fragten, erinnerten sich nun an die kritische Stimme, die schon vor der Katastrophe der Niederlage in Jerusalem davor gewarnt hatte, was kommen könnte.

 

Diese Stimme hatte es deutlich gesagt: „Gott steht mir bei.“

Darum sprach da jemand die unbequemen Wahrheiten aus und warb für neues Gottvertrauen. Doch genau hingehört hat man auf seine Worte erst, als es zu spät war. Später merkte man, dass dieser Prediger ein Prophet war, der mit seinen Worten Gottes Blick auf die Dinge, die passierten, genau auf den Punkt gebracht hatte.

 

Im Jesajabuch redet jemand, von dem man keine Heldengeschichte erzählen konnte. Er war in Konflikt mit der Mehrheitsmeinung geraten und litt am Widerstand der Anderen. Doch er gab nicht auf. Trotzdem fühlte er sich unterstützt und getragen. Gott steht mir bei.

 

Da fängt auch heute unser Nachfragen an, ob diese alten Worte unseren Glauben tragen können.

 

Schülerin und Schüler sein für Gottes Reden

 

Der Mensch, von dem die Worte in unserem Textabschnitt stammen, hat keinen Namen. Seit langem nennen wir ihn darum einfach „den Gottesknecht“. Man spürt in seinen Worten viel von seinem tiefen Glauben, doch es gibt kein Bild von ihm. Weil er seine Worte in Liedtexten verpackt hatte, blieb er aber in Erinnerung.

 

Diese Lieder des Gottesknechts sperren sich bis heute gegen ein oberflächliches drüber-weg-lesen. Sie haben der jungen Kirche geholfen, den Tod und das Leiden Jesu zu verarbeiten. Man entdeckte, es gab schon mal in der jüdischen Tradition einen Menschen, der gelitten hatte, weil er seine Identität und Persönlich in Gottes gnädiger Gegenwart fand. Immer wieder zitieren die neutestamentlichen Evangelien und Briefe aus diesen Versen des Gottesknechtes.

 

Der Gottesknecht erlebt sich als von Gottes hl. Geist erfüllt und autorisiert. Dabei wird er von denen verachtet, die Gottes Wort hätten hören müssen. So saß er zwischen allen Stühlen.

 

Der Gottesknecht stellt sich uns als ein Schüler vor, der lernen muss so zu reden, dass die Müden neue Kraft sammeln können und wieder Mut fassen. Hier stehen die orginalen Sätze, aus denen Jochen Klepper dann die Verse gedichtet hat „Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr.“(GB 614)

 

Der Schüler oder die Schülerin für Gottes Botschaft muss sich jeden Tag neu von Gott wecken lassen, um zu hören, was die verzweifelte und suchende Welt braucht. Aus diesem inneren Hören im Gebet und bei Gott wächst das, was Anderen weitergesagt werden soll. Man fängt an zu hören, bekennt der Versdichter, was nicht mehr Menschen, sondern was Gott in diese Welt hineinspricht.

 

Wenn man angegriffen wird, braucht man jemanden, der einem den Rücken stärkt

 

Das Lied des Gottesknechtes mutet uns etwas zu, was wir oft nicht so einfach schaffen. Wir freuen uns und sind sicher auch etwas stolz, wenn wir für unseren Glauben, unsere Treue zur Gemeinde und unser christliches Engagement gelobt werden. Doch wie gehen wir damit um, wenn unser Glaube uns Ärger und Schmähungen einbringt?

 

Mein Sohn war in der 2. Klasse, als er mit seinen Eltern und einer Gemeindegruppe eine methodistische Gemeinde in England besuchte. Wir lernten dabei auch die zerstörte Kirche in Coventry kennen. Das hat ihn sehr angesprochen, was er dort über die Geschichte in Coventry hörte. Er nahm sich als Souvenir dieser Osterreise einen Anhänger des Versöhnungskreuzes aus Coventry mit: vier gekreuzte Nägel, die man nach der Zerstörung aus der Balken der Kathedrale retten konnte. Das Kreuz ist ein bewegendes Symbol für Frieden und Neuanfänge geworden. Weltweit werden Initiativen und Orte mit diesem Kreuz ausgezeichnet, die ein Zeichen des Friedens gesetzt haben.

 

Aber der Zweitklässler, der stolz mit seinem neuen Schatz am Hals nach den Ferien in die Schule kam, wurde von seinen Freunden gehänselt: Was ist das denn, was du da trägst? So was hat doch keiner, (= so was braucht auch keiner!).

Er hatte danach nie wieder den Mut, sein Kreuz um den Hals in der Schule zu tragen.

 

Die Geschichte des eigenen Bekenntnisses war für ihn hier nicht zu Ende und wurde weitergeschrieben. Vor einigen Jahren hat er entschieden, sich gemeinsam mit anderen Kids aus der kirchlichen Arbeit taufen zu lassen und Kirchenglied zu werden. Das hat keiner in seiner Klasse gemacht, aber er.

 

Getragen sein

 

In der Regel wissen wir wenig voneinander und davon, welche Konflikte wir für unsere Überzeugungen und unseren Glauben durchstehen mussten. Es ist eine große Hilfe, wenn wir hier offen füreinander sind, und anderen die Möglichkeit geben, für uns zu beten. Vielleicht brauchen wir es auch mal, einander in den Arm zu nehmen, wenn jemand gerade auf einer schwierigen Wegstrecke in seinem Leben und in seinem Glauben unterwegs ist.

 

Denn man ist als Christ und Mensch in der Gemeinde auf der Spur dessen unterwegs, der den Jubel der Menge und die Zustimmung genauso angenommen hat, wie die Schmähungen und die Verletzungen im Gerichtshof der Obrigkeit.

 

Nicht nur die guten Tage allein oder auch die inneren Verwerfungen im Miteinander machen unseren Glauben aus, sondern die Gewissheit, dass Gottes Liebe und Gnade uns durch alle Tage trägt,…

von Palmsonntag…

zur Passion am Karfreitag…

hin zum Wunder von Ostern.

 

Amen.

 

 

 

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Pastor Günter Loos

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[1] Bild: G.Loos (privat)