
überraschend…
Predigtimpulse zu 1.Samuel 3,1-10 für den Sonntag Exaudi / 21.Mai 2023[1]
Der Text für den Sonntag Exaudi
31Der junge Samuel tat Dienst für den Herrn unter der Aufsicht des Priesters Eli. Zu dieser Zeit kam es nur noch selten vor, dass der Herr ein Wort mitteilte. Weit und breit gab es auch keine Vision mehr.
2Eines Tages geschah Folgendes: Eli war bereits zu Bett gegangen. Seine Augen waren im Alter schwach geworden, sodass er kaum noch etwas sehen konnte. 3Samuel aber legte sich im Tempel des Herrn hin, wo die Lade Gottes stand. Die Lampe Gottes brannte noch.
4Da rief der Herr den Samuel. Der antwortete: »Hier bin ich!«
5Schnell lief er zu Eli hinüber und sagte: »Ja, hier bin ich, du hast mich gerufen.« Eli erwiderte: »Nein, ich habe dich nicht gerufen. Zurück ins Bett!«
Da ging er zurück und legte sich schlafen. 6Doch der Herr rief noch einmal: »Samuel!« Wieder stand Samuel auf, lief zu Eli und sagte: »Ja, hier bin ich, du hast mich gerufen.« Er antwortete: »Nein, ich habe dich nicht gerufen. Zurück ins Bett, mein Sohn!«
7Samuel aber erkannte nicht, dass der Herr ihn gerufen hatte. Denn er hatte noch nie ein Wort des Herrn erhalten. 8Der Herr rief den Samuel ein drittes Mal. Wieder stand er auf, ging zu Eli und sagte: »Ja, hier bin ich, du hast mich doch gerufen.« Da merkte Eli, dass der Herr den Jungen rief.
9Eli sagte zu Samuel: »Leg dich wieder hin! Und wenn er dich nochmals ruft, dann antworte: Rede, Herr, dein Knecht hört!« Samuel legte sich wieder hin an seinen Platz.
10Da kam der Herr und trat zu ihm hin.
Er rief wie die anderen Male: »Samuel, Samuel!«
Und Samuel antwortete: »Rede, dein Knecht hört!«
(Text nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)
Liebe Lesende,
in dieser sehr alten Geschichte überraschen bis heute einige Details, die es wert sind, weiter bedacht zu werden.
Überraschend… - Gott beruft Menschen für eine neue Zeit
Es muss eine gefährliche Zeit für die Menschen gewesen sein, in der unsere Episode spielt. Die regionalen Autoritäten bestimmten unter den israelitischen Stämmen, was Gesetz war, und auch die Regeln an den heiligen Stätten wurden willkürlich verändert. In der Familiengeschichte des Propheten Eli liest man, dass Korruption und Gottlosigkeit auch unter den Priestern herrschte: „Die Söhne Elis waren ganz üble Kerle und wollten von dem Herrn nichts wissen.“[2] Diese Generation von Priestern betrog an der Opferstätte in Shilo die Pilgerer um ihre Opfer und forderte immer mehr an Tribut für die eigenen Dienste.
Die Korruption seiner Kinder wird schließlich auch dem geachteten alten Priester und Propheten Eli zum Verhängnis. Gott entzieht ihm und seiner Familie den Zuspruch, weil Eli das gottlose Handeln seiner eigenen Söhnen nicht bekämpft hat.[3]
Eine alte Zeit geht zu Ende und noch ahnt man nicht, was kommen wird.
Die Patriarchen und die Priestersippe von Eli verlieren im Volk ihrer Unterstützung, doch wer wird den Menschen neu Sicherheit und Hilfe geben können?
In diese Zeit hinein spricht Gott einen ganz jungen Helfer des Priesters Eli an. Samuel war ein Kind, als er im Haushalt von Eli aufgenommen wurde. Durch Samuel wird in Israel der erste König gesalbt werde, der die einzelnen Stämme und ihre Führer neu vereinen wird.
Gott sucht sich dieses Kind aus, um eine neue Zeitrechnung in seinem Volk anbrechen zu lassen. Wer hätte gedacht, was diese Nacht, in der Samuel Gott reden hört, alles im Land verändern wird.
Überraschend… - das Alter spielt keine Rolle, wenn Gott beruft
Samuel ist ein besonderes Kind. Das war seiner Mutter Hanna immer bewusst. Die Bibel erzählt, wie ein Wunder passiert, als Hanna schwanger wird und man kann nachlesen, wie dankbar sie Gott für dieses Kind ist. Dass der kleine Samuel zum Priester ausgebildet werden wird, wusste sie lange, bevor auch andere die besondere Berufung für Samuel entdeckten.
Doch in dieser Nacht hört ein Kind die Stimme Gottes. Der väterliche Freund Eli will erstmal nichts von der Stimme wissen, die Samuel gehört hat. Doch als das Kind wieder zu ihm kommt, versteht der Priester Eli, was hier geschieht. Gott spricht nicht zu ihm, dem eingesetzten Vermittler zwischen den himmlischen und irdischen Dingen, sondern zu diesem Kind. Eli hat die Größe, dieses Reden Gottes zu jemandem, der gar nicht die Autorität für eine religiöse Offenbarung hat, anzunehmen. Es ist ein Kind, das hört, aber es ist auch Gott der zu diesem Menschen spricht.
Kinder kommen selten zuerst in den Focus, wenn man in der Gemeinde nach wichtigen geistlichen und theologischen Erkenntnissen und Orientierung sucht. Doch es lohnt sich auch heute noch, Kindern zuzutrauen, dass Gott mit ihnen im Gespräch ist, wie mit allen anderen Generationen in der christlichen Gemeinde.
Bei der Kinderkonferenz während des Abschlussgottesdienstes der Tagung der Norddeutschen Konferenz in Braunschweig 2005 luden wir als Team die Kinder ein, von der Kirche zu träumen, in der sie gerne großwerden wollen. Ein 11jähriger Besucher setzte sich mit einigen anderen hin und schrieb eine bewegende Predigt, wie für ihn Kirche und Gott sind. Dieser Junge studiert inzwischen in Münster Theologie und bereitet sich auf seinen Dienst als Pastor in der Kirche vor. Gott spricht immer noch seine Samuels mitten unter uns an.
Wie Eli, so müssen wir ältere auch heute für geistlichen Erfahrungen und Erkenntnisse wach bleiben, die Gott Kindern schenkt. Mal malt jemand mit Filzstiften, wie sie sich den Himmel vorstellt. Oder jemand erklärt ernst und überlegt, wie er die Bibelgeschichte versteht und das klingt ganz anders, als das, was man selbst in diesem Text gelesen hat.
Gott sucht das Gespräch mit Menschen und wir dürfen uns überraschen lassen, wann er uns oder andere in welchem Lebensalter anspricht.
Überraschend – Gott sucht Menschen für besondere Aufgaben
Die Geschichte Samuels mit Gott fängt erst richtig an, wenn wir nur noch den Satz lesen „Rede, dein Knecht hört!“.
Samuel wird, als sich im Königtum von Saul ein nächster Wechsel andeutet, einen Hirtenjungen ansprechen und ihn mit seiner Salbung zum nächsten König weihen. Mit David setzt Samuel den König ein, der für alle Zeiten zum Sinnbild eines frommen und mutigen Regenten in Israel geworden ist. Samuel tritt dafür ein, dass man Gott vertrauen kann, der sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat und der auch nun mit den Königen und seinem Volk unterwegs ist.
Samuel hört auf Gott und schenkt denen, die ihn von Gott reden hören, die Gewissheit, dass Gott seine Leute nicht verlassen hat. So lebte Samuel das aus, was ihm Gott als besondere Lebensaufgabe gegeben hat.
Eine Stimme in der Nacht,
ein Gedanke, der immer wieder kommt und sich nicht wegschieben lässt,
ein Bild, das sich plötzlich tief in die Seele einschreibt,
ein Bibelsatz, der innerlich alles in Aufruhr versetzt, … .
Wenn Gott Menschen anspricht, kann vieles zum Medium werden, was uns Gottes Wort zuspricht. Doch nicht die Form, wie wir Gott hören, ist dabei entscheidend, sondern dass Gott Menschen eine Aufgabe zutraut und anvertraut.
Persönlich habe ich am Ende der Schulzeit ein Wort gehört, von dem ich bis heute fest überzeugt bin, dass mir Christus dies Wort zugesprochen hat. Das Wort steht im Philipperbrief 1,21:„Denn für mich ist Christus das Leben. Und deshalb ist sogar das Sterben für mich ein Gewinn.“ Ich habe in dieser Nacht für mich gehört, das ich mit Christus das Leben entdecken werde und es in aller Radikalität wichtig sein wird, immer wieder zu Christus zu kommen, wenn ich dieses Leben nicht verlieren will.
Das Wort hat sich bestätigt und sich für mich als wahr erwiesen. Viele Erfahrungen und gute Ideen verbinden sich immer noch mit dem Vertrauen darauf, dass Christus durch mein Leben und mit meinem Leben anderen etwas von seiner Liebe und Hoffnung zeigen will.
Es gab Freunde, Eltern und Menschen in der Kirche, die nahmen es ernst, dass da jemand etwas Besonderes für sich gehört hat. Ohne diese Hilfe und die Begleitung durch andere ist es fast nicht möglich, eine Berufung zu leben.
Gott braucht Menschen in ganz verschiedenen Aufgaben. Für mich war die Arbeit mit Jugendlichen, in der man an die Grenzen geht und das Abenteuer sucht, viele Jahre lang der Weg, wie ich meine Berufung leben konnte. Bald kam die Erkenntnis dazu, dass Gott mir eine Gabe zum Engagement für Kinder besonders im Jungscharalter anvertraut hat. Mit Kindern zu spielen und in ihre Welt einzutauchen scheint mir etwas ganz Wertvolles zu sein.
Eine Stimme, ein Gedanke, ein Bild, ein Bibelsatz… - es passiert häufig, dass Menschen von Gott angesprochen werden und jemandem von Christus ein Dienst aufs Herz gelegt wird. Bei Eli, dem erfahrenen und verantwortlichen Priester war es wichtig, dem Reden Gottes Raum zu geben und den jungen Samuel zu fördern in seinem neuen Auftrag, den er bekommen hatte. Bei Samuel versteht man, dass es diese innere Offenheit braucht, zuzuhören.
Mal spricht Gott uns ganz in der Stille an, mal nutzt er ein Wort in einer Gremiensitzung oder in einem Gottesdienst und man versteht, wo Gott eine Spur in unser persönliches Leben hineinlegen will.
In seinem Konzert in Detmold brachte es Pastor Joachim Georg vor einigen Tagen auf den Punkt: „Gott braucht Dich“.[4]
Amen
[1] Bild: BeUMC
[2] 1. Samuel2, 12
[3] 1. Samuel 3, 13
[4] Hören sie rein: Joachim Georg, Gott braucht Dich, auf der CD Mehr als Augen sehen (2022) // https://mehralsaugensehen.joachimge.org
Haben Sie Rückfragen oder möchten Sie einen Gedanken der Predigt noch weiter im Gespräch vertiefen? Wenden Sie sich an mich über eine der unten genannten Kontaktmöglichkeiten, Ihr Günter Loos!Pastor Günter Loos Büro Detmold: Mühlenstraße 16 ° 32756 Detmold ° Tel.: 05231.23297 Büro Lage: Im Gerstkamp 2 ° 32791 Lage ° Tel.: 05232.3696 od.: 0176 – 239 236 20 ° e-mail: guenter.loos(at)emk.de ° home-office: 05232.9805270
Musik tut gut
Predigtimpulse zu 1. Samuel 16, 16-23 für den Sonntag Kantate / 07. Mai 2023
Der Text: Ein Harfenspieler wird gesucht
14Der Geist des Herrn hatte Saul verlassen.
Von Zeit zu Zeit quälte ihn aber ein böser Geist, der seine Stimmung verfinsterte. Auch der kam vom Herrn.
15Da sprachen Sauls Leute zu ihm: »Du weißt, dass es ein böser Geist ist, durch den Gott deine Stimmung verfinstert. 16Unser Herr braucht nur etwas zu sagen, deine Knechte stehen bereit. Wenn du es willst, suchen wir einen Mann, der auf der Harfe spielen kann. Wenn dann der böse Geist Gottes über dich kommt, gleitet seine Hand über die Saiten. Und gleich wird es dir bessergehen.«
17Saul antwortete seinen Leuten: »Also gut! Seht euch um nach einem Harfenspieler und bringt ihn zu mir!« 18Da meldete sich einer von den jungen Leuten und sagte: »Ich weiß von einem! Es ist der Sohn Isais aus Betlehem. Der kann Harfe spielen. Er ist mutig und ein guter Soldat. Klug ist er auch und sieht gut aus. Ja, der Herr ist mit ihm!«
19Saul ließ Isai durch Boten ausrichten: »Schick deinen Sohn David zu mir – den, der die Schafe hütet!« 20Daraufhin nahm Isai einige Laibe Brot, einen Krug Wein und ein Ziegenböckchen. Damit schickte er seinen Sohn David zu Saul.
21So kam David zu Saul und trat in seinen Dienst. Saul liebte ihn und machte ihn zu seinem Waffenträger. 22Darum ließ er Isai die Botschaft überbringen: »Lass doch David in meinem Dienst bleiben. Denn mir gefällt, wie er seine Aufgaben erfüllt.«
23Sooft aber der böse Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe zur Hand und spielte. Da konnte Saul befreit aufatmen und es ging ihm besser. Denn der böse Geist hatte ihn verlassen. (1. Samuel 16, 16-23 nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)
Liebe Lesende,
Musik tut gut.
Wenn man beim Autofahren ein Lied mitsingt, entspannen sich Herz und Verstand.
Wenn man im Konzert sitzt und die Musiker die ersten Töne spielen, ist es gar nicht mehr so wichtig, dass hier im Raum einige Unordnung herrscht und auch die Heizung leider zu niedrig temperiert ist.
Wenn man sich selbst mal wieder an ein Instrument setzt, braucht es Zeit und Muße, aber irgendwann spielt die Zeit dann gar keine Rolle mehr und man forscht, wie diese oder jene Melodie klingen könnte.
Der Patient Saul, der an seinen trüben Gedanken und dem bösen Geist in seinem Gemüt leidet, braucht die anderen um ihn her, die ihm den Sinnes-Aufheller verordnen. Ihre Therapie schlägt an. Die Nähe des Hirtenjungen David, der da war, wenn es ihm schlecht ging, und Davids musikalisches Geschick beim Harfe spielen bewirkten ein Wunder. Der Patient atmete auf, es ging ihm besser und sein Gemütszustand hellte sich auf.
Monika Blödt, Mitarbeiterin in einer der EmK-Gemeinden in Nürnberg, erinnert sich daran, dass es still sein muss, um Harfentöne zu hören: „Ruhe – Konzentration – Hören auf den Ton, auf die Tonfolge, so kann ich die Melodien wahrnehmen. Damit werde ich selbst auch ruhiger. Die müden Gedanken verschwinden in den Hintergrund. Die sanften Klänge besänftigen die Unruhe, dass Aufgewühlt sein, die Angst. Das weckt wohl eine Ur-Erfahrung. Selbst Säuglingen wird zur Beruhigung gesungen oder eine Spieluhr in die Wiege gelegt.“[1]
Wir brauchen die Melodien, die uns tief in unserem Inneren erreichen, die Lieder mit ihren Worten, die andere Gefühle vertreiben und Gutes in uns wecken und die Töne, die uns in unserer ganzen Existenz aufwecken. Darum singen wir. Darum hören wir. Darum gibt es die Zeit, wo nicht geredet wird.
Vor dem Hören der befreienden Musik liegt ein dorniger Weg.
Für Saul fängt dieser Weg damit an, dass seine Schwermut und die dunklen Gedanken einen konkreten Namen bekommen. Es ist der böse Geist, der Saul gefangen hält. Das scheint wenig zu sagen, aber es ist genug, damit die therapeutische Arbeit wirken kann.
Bis heute spielt die Methode, die hier beschrieben wird, in der Behandlung von Depressionen und seelischen Erkrankungen eine Rolle. Was da krank ist, wird eingegrenzt. Nicht Saul ist die Krankheit, sondern da gibt es etwas in ihm, das ihn krankmacht. Die Bibel nennt diese Kraft den bösen Geist. Dieser böse, krankmachende Geist kann viel Energie entwickeln, ein Leben vollkommen gefangen halten und einen Menschen bis in den Tod führen.
Die, die wie die Helfer des Saul überlegen, was man hilfreich nun tun kann, brauchen ein waches Bewusstsein dafür, was die krankmachenden Geister alles erreichen können und wie sehr sie eine Persönlichkeit verändern. Lange Behandlungszeiten in der Klinik gehören zur Therapie, wo die bösen Geister ein Leben in Beschlag genommen haben.
Bei Saul war es das Hören auf das Harfenspiel, das die Macht des ungesunden Geistes in seiner Seele zerbrach. Für uns heute zeigt Musik immer noch ihre heilende Wirkung, aber es ist gut, dass auch Medikamente, Gespräche und eine gute pflegerische Begleitung sich als wirksame Mittel gegen die krankmachenden Kräfte in einer Seele erwiesen haben.
Die Seele heilt und ein Mensch öffnet sich wieder, wenn der krankmachende Geist in seine Schranken verwiesen wurde und vielleicht irgendwann ganz verschwindet.
Der Kriegsherr Saul schickt die Trommler und die Hornbläser für eine Weile in den Urlaub und lauscht der Harfe.
Das ist nur eine Nebengeschichte in dieser Episode, die vom gesund-werden erzählt. Aber sie ist es wert, im nächsten Kriegsmonat, der an der festgefahrenen Front im Donbassbecken angebrochen ist, gehört zu werden. Ob sich da nicht auch heute bei den Angreifern etwas verändern kann, wenn sie nicht mehr auf den Schlachtenlärm und die Detonation der Artilleriegeschosse hören und das Stakkato des Death-Metalls abgestellt wird? Harfenmusik ist eine fast provozierende Friedensansage damals mitten im Heerlager des jüdischen Kriegsherrn und heute an den Frontlinien dieser Welt.
Vor neun Jahren montierte der Klavierspieler Aeham Ahmad sein Klavier auf einen kleinen Rollwagen und spielte mitten in den Trümmern seines zerbombten Stadtteils. Die Kinder waren die ersten, die ihm in diesem Kriegsgebiet zuhörten, dann kamen andere und träumten mit dem Musiker in Damaskus davon, wie es sein wird, wenn der Frieden und die Freiheit in dieser uralten Stadt wieder den Ton angeben. Aeham Ahmad spielt heute in Deutschland Klavier und liest aus seinem Buch über seine Hoffnung für eine Welt, in der Menschen wieder auf die stillen Töne hören können.[2]
Die Chöre singen wieder.
Erst wollte man gegen das Coronavirus noch ansingen, aber bald hatten wir alle verstanden, dass es ausgerechnet das Singen ist, was die gefährlichen Viren großflächig im Raum verteilt. Doch jetzt dürfen wir wieder alles rauslassen, was da in unseren Lungen steckt. Wir können wieder gemeinsam singen und merken, dass dies unsere Seelen zum schwingen bringt.
Die Kirchenhäuser waren immer Räume, in denen ganz verschiedene Lieder angestimmt wurden, mal ein geistlicher Text auf einer Volksweise, die sich als Ohrwurm bei uns festgesetzt hat, mal ein englischer Text, der Erklärung und Übersetzung braucht, mal ein Stück der Hochmusik, an dem die Chöre wochenlang üben, bis es klappt. Kirchen sind Resonanzräume für unser Singen.
John Wesley, der Kirchenvater der Methodisten, gab darum den Ratschlag:
„Sing frisch und mit gutem Mut. … Sing zurückhaltend und bemühe dich darum, dass die Stimmen miteinander verschmelzen, damit sich ein Wohlklang ergibt. … Sing im Takt und hab „Gott im Blick bei jedem Wort, das du singst“.
Denn die Musik, ob im Lied oder beim Zuhören des Musikstücks, verändert unsere Sicht auf Gott und unser Leben. Sie heilt die Wunden und Verletzungen und weckt die Hoffnung neu in unseren Seelen.
Amen.
Haben Sie Rückfragen oder möchten Sie einen Gedanken der Predigt noch weiter im Gespräch vertiefen? Wenden Sie sich an mich über eine der unten genannten Kontaktmöglichkeiten, Ihr Günter Loos!Pastor Günter Loos Büro Detmold: Mühlenstraße 16 ° 32756 Detmold ° Tel.: 05231.23297 Büro Lage: Im Gerstkamp 2 ° 32791 Lage ° Tel.: 05232.3696 od.: 0176 – 239 236 20 ° e-mail: guenter.loos(at)emk.de ° home-office: 05232.9805270
[1] Siehe: Emk Infopost vom 04. Mai 2023
[2] Aeham Ahmad, Und die Vögel werden singen. Ich, der Pianist aus den Trümmern. S.Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2017
Johannes 16, 16-23: Schritt für Schritt (2023)
Schritt für Schritt
Predigtimpulse zu Johannes 16, 16-23
für den Sonntag Jubilate / 30.April 2023
Liebe Lesende,
Ende September 2022 wanderte der Hurrikan Ian vom Golf von Mexiko Richtung Florida und traf in Tampa, in einem der wohlhabendsten Gebiete der USA, auf das Festland. Davor hatte er schon einige Tage auf den Inseln der Karibik gewütet, doch nun erlebten die Bürger im Südwesten Floridas die ungeheure Kraft dieses Hurrikans.
Dann musste aufgeräumt werden.
Die methodistischen Gemeinden organisierten über ihr Konferenznetzwerk die Hilfe vor Ort und aus vielen anderen angrenzenden Bundesstaaten kamen Freiwillige, um Müll zu beseitigen, Häuser zu reinigen und denen, die alles verloren hatten, unter die Arme zu greifen. Diese gelebte Solidarität hat Freundschaften begründet. Mitten in den zerstörten Nachbarschaften gab es Bilder von Menschen, die gemeinsam beteten und einander trösteten.
Im Juli 2021erlebten auch wir die Naturgewalten im Ahrtal und auch dort war es wichtig, dass viele mitanfassten, um die Not zu lindern. Bis heute muss dort weiter aufgeräumt werden, neu geplant oder gebaut werden und viele werden noch viel Geduld brauchen, bis die Schäden dieses Naturextrems verarbeitet sind.
Schritt für Schritt wieder weitermachen…, wie soll es anders gehen, wenn man das Unerwartete und Zerstörerische verarbeiten will und neu anfangen muss?
Die jungen Christengemeinden brauchten nach Ostern lange, bis sie auf ihre Fragen hoffnungsvolle Antworten fanden. Sie erinnerten sich an Gespräche, die Jesus lange vor der Nacht seiner Festnahme mit einigen von ihnen geführt hatte. Er redete damals nicht von der schnellen Erlösung. Er machte seinen Freunden Mut, den Weg, der vor ihnen liegt, Schritt für Schritt zu gehen.
Schritt für Schritt sollte man unterwegs sein in der Gewissheit, dass das Chaos nicht das letzte Wort haben wird und das Neue nun angebrochen ist.
Im Johannesevangelium spiegelt eine Episode diese Gefühlslage unten den Freunden Jesu, die sich immer wieder sträuben, einfach den nächsten Schritt, der gegangen werden muss, zu akzeptieren.
Der Text: Johannes 16, 16-23
16 Jesus sagte: »Es dauert nur noch kurze Zeit, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen. Doch noch einmal kurze Zeit später werdet ihr mich wiedersehen.«
17Da fragten die Jünger einander: »Was bedeutet das, wenn Jesus zu uns sagt: ›Es dauert nur noch kurze Zeit, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen. Doch noch einmal kurze Zeit später werdet ihr mich wiedersehen‹? Und: ›Ich gehe zum Vater‹?« 18Sie fragten weiter: »Was bedeutet das, wenn er sagt: ›Es dauert nur noch kurze Zeit‹? Wir verstehen nicht, wovon er redet.«
19Jesus merkte, dass sie ihn fragen wollten. Deshalb erklärte er ihnen: »Ich habe gesagt: ›Es dauert nur noch kurze Zeit, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen. Noch einmal kurze Zeit später werdet ihr mich wiedersehen.‹ Macht ihr euch nun darüber Gedanken? 20Amen, amen, das sage ich euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber diese Welt wird sich freuen. Ja, ihr werdet traurig sein, aber eure Trauer wird sich in Freude verwandeln.
21Es ist wie bei einer Frau: Sie leidet Schmerzen, wenn sie ein Kind zur Welt bringt – ihre Stunde ist gekommen. Aber wenn das Kind geboren ist, denkt sie nicht mehr an ihre Angst. Sie freut sich nur noch, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.
22Auch ihr seid jetzt traurig. Doch ich werde euch wiedersehen. Dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude kann euch niemand mehr nehmen. 23An diesem Tag werdet ihr mich nichts mehr fragen.«
(Johannes 16, 16-23 nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)
Schritt für Schritt… - denn wie soll man das hinkriegen, was da kommt
Nur immer wieder von diesem hartnäckigen nicht-verstehen-können zu lesen, fordert uns etwas ab. Wie muss es da erst vor Ort in den Gesprächen Jesu mit seinen Freunden gewesen sein, wenn immer wieder klar wurde, viele wollen es nicht mal denken, dass die Gemeinschaft mit Jesus sich verändern könnte? Jetzt ist doch alles, wie es sein soll. Warum über die Zukunft nachdenken?
Doch darunter versteckte sich vielleicht die sehr konkrete Angst, es ohne Jesus nicht schaffen zu können. Die physische Gegenwart Jesu war der Ankerpunkt des Glaubens an Gottes neue Welt. Wie kann man diese Hoffnung lebendig halten, wenn Jesus mit seinem Vorbild und Leben nicht jeden Tag neu die großen Lebensfragen in Alltagssituationen übersetzt?
In diesen Monaten können viele ihren Ärger über die fehlende Bereitschaft, etwas zu verändern, nur mühsam in Zaum halten. Viele in den reichen westeuropäischen Gesellschaften verschließen die Augen vor dem, was doch ganz nüchtern betrachtet unsere Zukunft auf diesem Planeten ausmachen wird. Die neusten Daten zum durchschnittlichen Temperaturanstieg in Deutschland und Europa lassen bei Experten alle Alarmsirenen klingeln. Doch die Politik reagiert auf den Unmut ihrer Wähler und vertagt an vielen Stellen die notwendigen Veränderungen. Die kurze Zeit, die man noch hat, will man gerne irgendwann in einigen Jahren beginnen lassen.
Es wird kommen, hören die Freunde Jesu von ihrem Rabbi, doch es braucht Zeit, bis Jesu Worte bei allen ankommen. Jesus wird nicht müde und wiederholt sich. Bis man es nicht mehr überhören kann. Dann fangen die Freunde Jesu an, es durchzubuchstabieren, Schritt für Schritt:
Unser Herr wird wiederkommen, aber wir wissen nicht wann. Wir haben es nun zu erklären, zu bezeugen und weiterzusagen, was er uns gepredigt hat. Seine Freunde reden nun in seinem Namen. Fangen wir an?
Schritt für Schritt… - denn unsere Seele braucht Zeit zum Wachsen
Während ich über diese Episode nachdenke, kommen mir Erinnerungen an meine Seesorgeausbildung im Klinikum in den Sinn. An keinem Morgen war absehbar, was man am Bett oder auf dem Gang von einem anderen erzählt bekommt. In der Regel schaute man jeden Tag in einem der Gespräche in eine Situation hinein, die aus den Fugen geraten war. Auf meiner Station für herzkranke Menschen redete viele davon, was sie nun nach ihrem Herzinfarkt oder der Diagnose nicht mehr werden machen können: keine Bergtouren mit Seilschaften im Hochgebirge, keine tagelangen Baueinsätze nach der Arbeit bei Freunden, kein Leistungssport mehr.
Der Begleiter unserer Ausbildungsgruppe gab uns einen Hinweis für diese Situationen weiter. Oft braucht die Seele eines Menschen Zeit. Die Fähigkeit, etwas annehmen zu können, scheint oft erst wachsen zu müssen. Nur Stück für Stück und Information nach Information kann man von dem hören, wie die Ärzte die eigene Situation einschätzen. Und dann können Menschen schließlich annehmen, wie es um ihren medizinischen Befund steht.
Wieder diese Erfahrung, dass nicht das Leugnen und Verdrängen die Lösung für Situationen ist, wo wir dem Chaos ins Gesicht sehen, sondern das „Schritt-für-Schritt“ annehmen, was zu bearbeiten ist. Nur dieser lange Atem weckt die neue Hoffnung und die Kraft, damit uns auch in schlimmer Not uns Seele nicht verloren geht.
Schritt für Schritt… - nur so schafft ein Mensch die Geburtsschmerzen zu überstehen
Pfarrerin Julia Neuwander erinnert daran, dass man nur mit den vielen schwächeren und stärkeren Wehen die Geburt eines neuen Menschen schaffen kann:
„Es geht bei einer Geburt am besten voran mit der Haltung »Schritt für Schritt«. Das heißt für die Gebärende: Wehe für Wehe näher zum Kind, bis am Schluss das Kind dann hoffentlich glücklich geboren wird. Alles ist dann gut. Das Kind ist da und der Wehenschmerz hört sofort auf. Das Leiden, die Mühen, der Schmerz liegen hinter ihr. Ohne noch weiter an die erlittenen Schmerzen zu denken, freut sie sich uneingeschränkt über das Neugeborene.“[2]
Der neue Mensch wird geboren.
Glaube will Menschen in der Dynamik des Heiligen Geistes zu einem neuen Leben führen.
In vielen Gesprächen, Erfahrungen und Erkenntnissen verändert sich dabei der Blick auf das eigene Leben und auf Christus. Dieser Prozess des Glaubens, braucht Zeit. Das Neue wächst in vielen verschiedenen Schritten.
Dieser Prozess erfordert die Bereitschaft, auch Schweres zu ertragen. Denn auch die Geburt einer anderen und erneuerten geistlichen Existenz kennt Geburtswehen, die niemand einfach überspringt, bevor das Neue im eigenen Leben sichtbar wird.
Die Frage, wie man dem vertrauen soll, der doch nach seiner Auferstehung so weit weg zu sein scheint, kommt vielen auf ihrer Reise des Glaubens mit Christus in den Sinn. Sie lässt sich nicht wegdiskutieren, wo sie aufbricht. Doch sie findet ihre Antwort darin, dass sich irgendwann etwas wie eine ganz eigene innere Ruhe ausbreitet.
Nicht die Schmerzen bleiben in Erinnerung, wenn wir an die Geburt von Kindern denken, sondern die Freude. Wenn es geschafft ist und ein Baby seinen ersten eigenen Schrei tut oder sich an Mutter und Vater kuschelt,…
… „dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude kann euch niemand mehr nehmen.“(V.22)
Amen.
[2] Julia Neuwander, in: Gottesdienstpraxis, 5. Reihe, Bd.2, S. 132, Güterloh 2023
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