Entfeindung

Predigtimpulse zu 1. Samuel 24, 1-20 zum 4.Sonntag nach Trinitatis / 23. Juni 2024[1]

 

Liebe Lesende,

 

wer heute die Texte zu David und Saul in der Bibel liest, begegnet Wundern, Machtkämpfen, Freundschaften, Hass und Versöhnung. Wie bei jeder guten Story gibt es immer wieder neue Wendungen und überraschende Auflösungen. Am Ende, wenn alles für David gut auszugehen scheint, bleiben trotzdem Fragen übrig, für die man irgendwann einfach nochmal anfängt, diesen Roman vom Kampf des alten gegen den neuen König zu lesen.

 

Das Kapitel, das an diesem Sonntag unsere Neugierde wecken will, beginnt mit etwas ganz Menschlichem: auch Krieger mitten auf ihrem Feldzug brauchen ihren privaten Ort für sehr persönliche Geschäfte.

Saul fand diesen stillen Ort am Eingang zu einer Höhle, irgendwo im kargen Hochland oberhalb des Toten Meeres. Dort wollte er den gehassten Emporkömmling, dem er selbst die Tür zum Königshof geöffnet hatte, dingfest machen und am besten gleich töten. Doch David war geschickt und Saul konnte mit seinen Kriegern ihn nirgends stellen und zum offenen Kampf fordern.

 

In der Höhle, wo Saul nun saß und mit ganz anderem beschäftigt war, hätte sich der Kampf zwischen David und dem alten König Saul entscheiden können. David hatte sich mit seinen Leuten genau dort im hinteren Teil der Höhle versteckt. Als man sah, wer dort im Eingang der Höhle saß und sein Geschäft erledigte, wusste jeder der Krieger auf dem Kriegspfad, welche himmlische Chance sich ihnen hier bot. Saul war wehrlos und alleine. Es brauchte nicht viel, um ihn nun zu töten und David wäre der neue König im Land.

Doch David selbst bremst die mordlüsternen Gedanken seiner Leute. Er wollte dem rechtmäßigen und von Gott berufenen König nicht durch einen Mord seinen Thron nehmen. Doch eine Mutprobe konnte er sich dabei trotzdem nicht verkneifen. Er schlich sich an Sauf heran und schnitt ihm einen Zipfel von seinem Umhang mit dem Messer ab. Saul merkt nicht, was da hinter ihm passierte. Dir Soldaten, die sahen, was ihr Anführer da machte, müssen sich sehr zusammen gerissen haben, um nicht zwischen ihrer Bewunderung für den Mut David auf der einen Seite und der stumpfen Unaufmerksamkeit von Saul ins Tuscheln und Frotzeln zu kommen.

 

Als Saul die Höhle verlässt, ruft David hinter ihm her. David tut alles, um sehr Ehrerbietung für Saul sichtbar zu machen. Er geht auf die Knie und verneigt sich vor Saul. Danach spricht er ihn an und fragt Saul, warum er denen glaubt, die behaupten er, David, wolle ihm Böses und ihn töten. Er zeigt das abgeschnittene Stück vom Umhang Sauls.

 

Saul sieht, in welcher Gefahr er gewesen war, und lässt David weiterreden. David bekennt sich dazu, dass er Saul nicht nach dem Leben trachtet, aber Saul ihm sehr wohl verfolgt um ihn zu töten. Er ist kein Verbrecher und stellt Saul zu Rede: „Hinter wem bist du als König Israels her? Jagst Du einen toten Hund oder einen einzelnen Floh?“ Mit anderen Worten: er David ist nicht der Feind Sauls, der alle Mittel einsetzt, um Saul zu zerstören.

 

 

 

Dann reagiert Saul…

…(17) Nachdem David diese Worte zu Saul zu Ende geredet hatte, sagte Saul: Ist das nicht deine Stimme, mein Sohn David? Dann erhob Saul seine Stimme und weinte. (18) Und er sagte zu David: Du bist gerechter als ich, denn du hast mir Gutes vergolten, ich aber habe dir Böses vergolten. (19) Und du hast heute kundgetan, was du an mir Gutes getan hast, weil der Herr mich in deine Hand ausgeliefert hat, du mich aber nicht getötet hast. (20) Und ja: Da trifft jemand auf seinen Feind und lässt ihn auf gutem Wege ziehen! Der Herr aber soll dir Gutes vergelten für das, was du heute an mir getan hast.[2]

 

So menschlich wie die Szene begonnen hat, so endet sie auch. Saul weint und erkennt, wie sehr er sich in David getäuscht hat. Die Fehde zwischen dem alten König und dem jungen Anführer, der sich anschickt, selbst die Macht zu übernehmen, ist hier erstmal zu Ende.

 

Die beiden Feinde haben sich „entfeindet“, weil der eine keine Angst mehr um sein Leben haben musste und der andere die Entscheidung Gottes für die Wahl Sauls zum König höher schätzte, wie die Gewaltoption des Mordes, die ihn zum neuen König gemacht hätte.

 

Kein Friede, der lange hält…

 

Wie oben geschrieben, ist die Höhlenszene nur ein Kapitel in der aufregenden Geschichte von David und Saul. Schon im übernächsten Kapitel liest man davon, wie die Kämpfe zwischen den beiden wieder angefangen haben und zum zweiten Mal sich David an den nun schlafenden Saul anschleicht. Diesmal klaut er ihm Sperr und Helm und später nutzt er diese, um erneut seine Loyalität gegenüber Saul zu beweisen.

 

Die, die diesen Kampf zwischen Saul und David aufgeschrieben haben, waren in ihrem Urteil sehr deutlich auf der Seite Davids. Saul kommt in der Geschichte nicht gut weg und die Heldenrolle wird David in dieser Erzählung überlassen.

 

Vermutlich war das ein Grund für den immer neu aufbrechenden Konflikt zwischen David und Saul. Die politischen Erfolge, die Saul als erster König in Israel hatte, waren bald vergessen und im Streit mit den Völkern und Stämmen, die Israel von außen angriffen, wirkte Saul als schwacher und zögerlicher König. Man suchte nach jemand wie David, der das Land besser verteidigen konnte.

 

Es bleibt bis in die aktuelle Gegenwart hinein eine Frage, die immer wieder neu beantwortet werden muss: wie wird die Entfeindung so nachhaltig zwischen Gegnern und Parteien, dass am Ende ein sicherer Friede wachsen kann? Wenn das Misstrauen gegeneinander immer neu befeuert wird und nicht überzeugende vertrauensstiftende Maßnahmen den Frieden stützen, dann brechen alte Konflikte schnell wieder auf.

 

Gott setzt die Ordnung, in der Frieden möglich wird

 

Der Streit zwischen David und Saul bewegt sich in einer Welt in Israel, in der man wusste, wer allein die grundlegende Ordnung stiften kann. Gott erwählte sein Volk und schenkte ihm durch Propheten wie Samuel eine Orientierung für das Königtum. Samuel, der Gottes Wort für das Volk hörte, salbte Saul zum König und fand David als neuen König in der Großfamilie des Viehhirten Isai. Im Bewusstsein der Menschen war es Gott, der die Ordnung für ein friedliches Leben in Israel setzte.

 

Doch es war an jedem einzelnen, diese Ordnung auch zu akzeptieren und nicht durch viele eigene Interessen immer neue Konflikte zu schüren. Auch David provozierte immer wieder durch seine ungestüme Art neue Kämpfe und tötet sogar einen seiner eigenen Hauptleute, um dessen Frau heiraten zu können.

 

Doch diese Geschichten um die Kriege zur Zeit Davids wissen eben auch immer wieder um Menschen, die daran erinnern, wie Friede möglich werden kann. Während die Männer neue Kämpfe vom Zaun brechen - diesmal lagen sich David und der Stammesfürst Nabal über Kreuz – macht sich Abigajil, die Frau von Nabal, auf den Weg ins feindliche Lager und schenkt den Gegnern großzügig Brote und guten Wein, um einen nächsten Kampf abzuwenden[3]. David ist beeindruckt von dieser Geste und beendet die Kämpfe. Auch hier sind es die praktischen Taten, die neben den offenen Worten den Frieden bringen.

 

In unserer Welt erinnert man sich selten daran, wer die guten Ordnungen zum Leben allen Geschöpfen gegeben hat, und verwendet viel Zeit auf, um vor allem die eigenen Vorteile und Gewinne zu sichern. Die Höhlengeschichte von Saul und David zeigt, was dem Frieden eine Chance gibt: Menschen, die über ihren Schatten springen, die nicht Unrecht mit neuem Unrecht vergelten und die Rache um der Versöhnung willen ruhen lassen.

 

Es braucht friedliche Phantasie, um zu solchen Ideen zu kommen, wie sie David oder Abigajil damals umsetzten.

Das Messer zerschneidet nicht die Kehle des Gegners, sondern trennt nur ein Stück Stoff vom Mantel. Das reicht, damit Friede wachsen kann.

Der Feind muss sich nicht bis zur Brotkammer des Gegners durchkämpfen, sondern er bekommt das Brot geschenkt, um über Ausgleich und Versöhnung nachdenken zu können.

 

Weil Rache und Gewalt immer die wirkungsvolleren Mittel im Angebot zu haben scheinen, braucht es die Erzählung von David und Saul in der Höhle, die zeigt, wie ganz anders man auch zur Lösung eines Streites kommen kann.

 

Es bleibt an uns, dafür zu beten, dass die Chancen zum Gespräch und zur Aussöhnung auch heute in unseren komplizierten Kriegen ergriffen werden, und Zeichen gesetzt werden, die anderen die Angst nehmen und überzeugend die eigene Suche nach Versöhnung sichtbar machen.

Amen.

 

 

 

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Ihr Günter Loos!

 

Pastor Günter Loos

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[1] Bild: James Jacques Joseph Tissot , David and Saul in the Cave (1896-1902), in: Jewish Museum, New York

[2] 1. Samuel 24, 17-20 – Übersetzung: Prof. Dr. Thilo Alexander Rudnig, siehe: https://www.die-bibel.de/ressourcen/efp/reihe6/4-nach-trinitatis-1-samuel-24

[3] Siehe 1. Samuel 25, 18ff.

Geistliche Bauleute

Predigtimpulse zu Epheser 2, 17-22

zum 2.Sonntag nach Trinitatis /

09. Juni 2024[1]

 

Liebe Lesende,

 

heute sieht man als Tourist auf den Ausgrabungsfeldern des alten Ephesus an der türkischen Ägäisküste nur alte Steine und einige Gebäudereste, die ahnen lassen, wie reich und schön diese Stadt vor 2000 Jahren gewesen sein muss. Ephesus war nicht nur durch seinen Hafen und seinen Artemistempel, der viele Pilger und Pilgerinnen um 100 n.Chr. anzog, eine bedeutende Stadt in der Antike, sondern dort schrieben sich auch wichtige Kapitel der christlichen Kirchengeschichte.

Sowohl von Paulus wird in der Apostelgeschichte erzählt, wie er sich dort mit den Künstlern anlegte[2], die ihre Heiligenfiguren für die Göttin Artemis herstellten, sondern auch der Seher Johannes widmet in seiner Offenbarung den Christen dort eines seiner Sendschreiben[3]. Später wurde in Ephesus das Grab des Johannes zum Ziel christlicher Pilgerer und erst ein Erdbeben 262 n.Chr. und die Plünderung durch die Goten einige Zeit später beendeten die Blütezeit in der antiken Stadt.

Während man die bis heute weltberühmten Gebäude in Ephesus im Sinn hat, liest man im Brief an die Gemeinde in Ephesus davon, wie die Christen sich einen ganz anderen Tempel wünschen, der zum Ort der Anbetung Gottes wird.

 

Der Text: aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus 2, 17-22

 

17Er (=Christus) kam und verkündete Frieden: Frieden für euch in der Ferne und Frieden für die in der Nähe. 18Denn durch ihn haben wir beide in ein und demselben Geist Zugang zum Vater.

19Ihr seid also nicht mehr Fremde und ohne Rechte in Israel. Ihr seid vielmehr Mitbürger der Heiligen und Mitglieder von Gottes Hausgemeinschaft. 20Ihr seid gegründet auf dem Fundament der Apostel und Propheten, dessen Grundstein Christus Jesus ist. 21Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten. So wächst er zu einem heiligen Tempel empor, der dem Herrn gehört. 22Weil ihr zum Herrn gehört, werdet auch ihr als Bausteine in diesen Tempel eingefügt. Gott wohnt darin durch den Heiligen Geist.

(Text nach der Übersetzung der Basisbibel 2021)

 

 

Endlich Bürgerrechte haben!

 

Was ist das für ein Privileg, Bürgerrechte wo auch immer auf dieser Welt zu haben!

In den 50ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Berlin eine zerstörte Stadt, die viel Energie für Neuaufbau und Wiederherstellung der alten Pracht brauchte, und politisch eine Enklave im russischen Besatzungsgebiet war.

In meiner eigenen Familie beschlossen drei von den fünf Geschwistern meines Vaters, dass sie ihr Lebensglück nicht in der alten Heimat suchen wollten, sondern sie wanderten nach Kanada aus. Dort wurde jedem Einwanderer, der eine gute Ausbildung mitbrachte, das Bürgerrecht schnell und ohne bürokratische Hürden verliehen und aus den Einwanderern wurden kanadische Staatsbürger mit vollen Rechten und Pflichten in ihrer neuen Heimat.

 

Bis heute ist das ein Schlüssel für viele Familie und ihr eigenes Selbstwertgefühl geblieben: bin ich, wo ich lebe, nur auf Zeit geduldet oder gehöre ich als vollwertiges Mitglied zur Gesellschaft dazu.

Die Christen wurden mit ihrem Glauben an Jesus als dem Messias und Gottessohn in den jüdischen Synagogen der antiken Welt lange als Sektierer bekämpft. Sie gehörten mit ihrer Idee vom angebrochene Himmelreich in der Auferstehung Jesu nicht wirklich zu denen, die die Tradition der Thora und den jüdischen Ritus vollwertig lebten. Dazu wurden auch Menschen gläubig, die überhaupt keinen Bezug zum jüdischen Glauben hatten. Man sah in den Synagogengemeinden die gemeinsamen Wurzeln und Beziehungen zwischen christlichem und bekanntem jüdischen Glauben, aber es blieb eine deutliche Distanz zwischen beiden spürbar und sichtbar.

 

Nun wird diese alte Diskussion im Brief an die Gemeinde in Ephesus einfach beendet.

Durch Christus haben die, die sich neu der Gemeinde der Christen anschließen, nicht mehr nur ein Duldungsrecht bei Gott, sondern sie gehören ganz dazu. Mit jedem, ob man nun in der jüdischen Tradition großgeworden ist und glaubt oder ob man sich erst vor einiger Zeit bekehrt hat und nun zur christlichen Gemeinde gehört, baut Gott seinen neuen Himmel und seine neue Erde mitten in dieser Welt.

 

Die neuen Bürger im Reich Gottes und auch im Volk der von Gott Berufenen dürfen sich sicher sein: wofür sie sich einsetzen und für den sie ihren Glauben verteidigen und bezeugen, ist ihr Herr und ihr Gott. Sie schauen nicht mehr als Besucher zu, wie andere den Gott Abrahams, Isaak und Jakob anbeten, sondern es ist ihr eigenes und persönliches Gebet. Denn nun gehört man selbst dazu.

 

Vielleicht muss man sich das heute in der christlichen Gemeinde wieder viel bewusster zusprechen lassen:

  • Du hast alles, was Dich zu einem von Gott geachteten Menschen in seiner Gemeinde macht. Seine Liebe und Fürsorge kennt Deinen Namen und Deine Person und sie nimmt Dich ohne Wenn und Aber an. „Fürchte Dich nicht, denn ich habe dich befreit. Ich habe Dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.“Jesaja 43,1

 

Bauleute für einen ganz anderen Tempel mitten in dieser Welt

 

Doch die Frage, wer dazu gehört und wer gemeint ist, wenn Christus Menschen einlädt mit ihm Gemeinschaft zu haben, ist nur der 1.Schritt, um den es im Brief geht. Die, die hier zuhören, während der Brief verlesen wurde, sollen Teil eines ganz besonderen Projekts Gottes mitten in dieser Welt werden.

 

Wie prächtig und beeindruckend Tempel und Altäre sein können, musste man niemand in Ephesus erklären. Die Stadt lebte von ihren religiösen Heiligtümern und pflegte sie entsprechend. Doch nun wird man in der christlichen Gemeinde eingeladen, einen ganz anderen Tempel zu bauen, ein unsichtbares und durch den Heiligen Geist zusammengefügtes Bauwerk.

 

Die Baumaterialien liegen bereit.

Es gibt den Grundstein und den Eckstein, der die Bögen über den Hallen und den Eingangsportalen abschließt und trägt: Jesus, der auferstandene Christus. Der trägt mit seinem Wort und seinem Geist das ganze Gebäude und setzt den wichtigen Stein dort ein, wo sonst alles in sich wieder zusammenstürzen könnte.

Es gibt Geschwister und Mitchristen, die ihre Gaben und Fertigkeiten einbringen, damit dieses geistliche Haus funktionieren kann. Da sind Menschen, die beten für die anderen und helfen, dass man Worte und Lieder für das Lob Gottes findet. Andere werden zu Vorbildern in der Fürsorge für die Kranken und Armen innerhalb und außerhalb der Gemeinde. Die, die gut wirtschaften können, sorgen dafür, dass genug Spenden und Hilfen da sind, um als Gemeinschaft alle Verpflichtungen erfüllen zu können.

Wo in anderen Tempeln ein Bild oder eine Statue angebetet wird, erlebt man in diesem Tempel, wie Gottes Gegenwart einfach spürbar und erfahrbar ist. Dieser Tempel lebt und es ist der Heilige Geist, der dieses Leben in der christlichen Gemeinde schenkt.

 

Bis heute scheint es uns sicherer und nachhaltiger zu sein, wenn man vier feste und stabile Wände um sich herhat, und ein Dach über dem Kopf, wohin man sich, wenn man angegriffen wird, einfach zurückziehen kann.

Doch in der Idee, wie sich Christus und seine Gemeinde einen sicheren religiösen Rückzugsort vorstellen, versteckt sich die Provokation: Es ist keine Immobilie, die für alle sichtbar glänzt und Autorität ausstrahlt. Der Ort für den Gottesdienst der christlichen Gemeinde ist mobil. Mal findet man ihn im schönen Kirchenraum, aber zu anderen Zeiten wird eine Waldlichtung oder ein Marktplatz zum Ort, wo man Gott begegnet. Denn der christliche Tempel ist gebaut aus Wänden der Gemeinschaft, des Gebets, der fürsorglichen Liebe und des Engagements für eine Welt, die in Gefahr ist, an sich selbst zu zerbrechen.

 

Leute gesucht, die mit bauen

 

Vielleicht regen zwei Beispiele Sie an, selbst weiterzudenken, wo ihr Platz in diesem mobilen Tempelbau der christlichen Gemeinde ist.

 

Unsere Welt braucht dringender denn je Orte des Friedens.

Orte, an denen wir lernen, in unserem »einen Welthaus« gemeinsam zu leben. Juden, Christen und Muslime haben sich deshalb in Berlin auf den Weg gemacht, für eine Verständigung unter den Religionen ein völlig neuartiges, zukunftsweisendes Sakralgebäude gemeinsam zu planen, zu bauen und mit Leben zu füllen. Religionen in ihrem Kult und im Austausch mit Wissenschaften, Kunst und Kultur können eine Bereicherung sein – allen Gräueltaten, die unter Berufung auf die Religionen begangen werden, ein Modell eines friedvollen Miteinanders entgegensetzend. Im HOUSE OF ONE werden drei separate Gebetsräume – Synagoge, Kirche und Moschee – verbunden durch einen zentralen Raum der Begegnung, den Kuppelsaal. Das Haus ermöglicht es gleichermaßen, sich zurückzuziehen und in der je eigenen Tradition zu beten wie einander zu begegnen, voneinander zu lernen und das Verbindende zu suchen. [4] Vielleicht entwickelt sich dort in Berlin ein Bauplan, wie in Zukunft die Häuser aussehen, wo Menschen Gott anbeten.

 

Am 3. Mai 2024 ist in Charlotte / North Corolina die methodistische Generalkonferenz zu Ende gegangen. Es gab berechtigte Sorge, dass sich nach dem Streit und den unversöhnlich sich gegenüberstehenden Lagern in Fragen der Frömmigkeit und der christlichen Sexualethik die methodistische Bewegung neu spaltet und zu keinem gemeinsamen Miteinander findet.

Doch es ist etwas Unerwartetes passiert. Man verfiel während der Plenarsitzungen nicht wieder in das alte Lagerdenken. Man suchte geduldig und mit viel Wertschätzung füreinander nach Wegen, wie man miteinander das Zeugnis der Liebe Gottes und der Befreiung in Jesus Christus in dieser Welt leben und verkündigen kann. Man glaubte einander den Glauben. So wie ich selbst meinen Weg mit Christus gehe und glaube, so tut dies auch der andere, der in ethischen Fragen für sich aber ganz andere Antworten gefunden hat.

In aller Unterschiedlichkeit, trotz aller Differenzen und kultureller Eigenarten, die einfach zu einer globalen Kirchenstruktur dazugehören, wollen wir als Methodisten ein Beispiel dafür sein, dass Christus uns als seine Kirche in dieser Welt berufen hat. So könnte die Idee des Tempels in der Gemeinde in Ephesus heute konkret werden: wo wir gemeinsam Gott loben und anbeten und Gemeinschaft leben, die einladend für andere ist, da baut Christus seine Kirche.

Amen.

 

Haben Sie Rückfragen oder möchten Sie einen Gedanken der Predigt noch weiter im Gespräch vertiefen? Wenden Sie sich an mich über eine der unten genannten Kontaktmöglichkeiten,

Ihr Günter Loos!

 

Pastor Günter Loos

Büro Detmold: Mühlenstraße 16 ° 32756 Detmold ° Tel.: 05231.23297

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od.: 0176 – 239 236 20 ° e-mail: guenter.loos(at)emk.de ° home-office: 05232.9805270

 


[1] Bild: Von I, Sailko, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org/w/index.php

[2] siehe Apostelgeschichte 18

[3] siehe Offenbarung 2, 1-7

[4] Siehe dazu: www.house-of-one.org