Monatsspruch April

Gedanken zu Palmsonntag; Sacharja 9,9 (BasisBibel)

Freue dich sehr, Tochter Zion! Brich in Jubel aus, Tochter Jerusalem!
Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Retter ist er.

Er ist arm und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel, geboren von einer Eselin.


Rundbrief April 2024

Zu Palmsonntag lese ich den Einzug Jesu nach Jerusalem in allen vier Evangelien mal anders (Mt 21,1-11; Mk 11,1-11; Lk 19,29-40; Joh 12,12-19). Ich frage: Jesus, wieso hast du die Leute so viel Aufhebens machen lassen? Du weißt doch, wie wir Menschen sind, damals wie heute! Kreischen wie die Teenies für Heiler, Wunder-Tuer, Magier und Propheten, solange sie unterhalten und sich den Erwartungen entsprechend verhalten. Was wolltest du mit dieser Parade erreichen?

Mein Eindruck ist, dass Jesus die Heiligen Schriften mit seinem Wirken und seiner Ankunft in Jerusalem, kurz vor seinem Tod, als erfüllt verstanden haben wollte (vgl. Jes 62,10-12; Ps 118,25-27). Ja, er war gekommen, von Gott gesandt zur Rettung Israels. Aber Jesus reitet nicht, den Erwartungen entsprechend, als siegreicher Herrscher auf dem Kriegspferd nach Jerusalem, sondern, wie vom Propheten Sacharja vorhergesagt, demütig und Frieden bringend auf einem Esel (Sacharja 9,9-10). Allerdings mit einer Auffassung von Frieden, die kaum einer verstand, auch heute nicht: Ein Friede, den Jesus um den Preis des eigenen Lebens ermöglicht hat, und der darauf wartet, sich im alltäglichen Leben zu entfalten.

Jesus hat die Schriften erfüllt, ihrem tiefen, zusammenhängenden Sinn nach. Er hat sich in aller Entschiedenheit und Klarheit zu leben ermöglichender Veränderung bekannt. Denn die ist von Gottes Geistkraft erfüllt und lässt Menschen aufblühen. Wird der demütige Mann auf dem Esel genauer betrachtet, wird ganz schnell klar, dass die Herausforderung, vor die er jede/n mit seiner Ankunft stellt, eine lebensverändernde ist.

Lassen wir ihn König sein zu seinen Bedingungen, abseits aller menschlichen Erwartungen und Macht-Fantasien? Lassen wir ihn seinen Frieden bewirken? Einen Frieden, der nicht auf Kosten anderer zustande kommt. Ein Friede, der echt ist und der Aggression, Neid, Ohnmacht oder Sorge nicht unter den Teppich kehrt, sondern thematisiert. Lassen wir ihn im eigenen Denken, Fühlen und Handeln seine königlichen Akzente setzen? Lassen wir zu, von ihm verändert zu werden, um uns selbst und einander zu finden?

Auch ich erlebe, dass sich meine Erwartungen an Jesus, an mich selbst und meine Mitmenschen nicht immer erfüllen. Das finde ich als herausfordernd. Daher will ich diese Erwartungen prüfen und mein Gottesbild, mein Weltbild ehrlich hinterfragen. Jesus versteht es dabei, mich stets neu herauszufordern mit seinem Frieden, mit seiner Art von Befreiung, mit seiner Art von Liebe, mit seiner Art von Leben ermöglichenden Varianten des Seins.

Ich darf an allem teilhaben, mitgestalten und aufblühen. Ich bin bereit, dafür auch meine Komfortzone zu verlassen, mich zu öffnen. Im Geöffnet-Sein kann sich Resonanz ereignen, eine Antwortbeziehung mit der Welt um mich her. Dort, wo Blockaden, Ängste und Sorgen weichen, wo Rückzug, Missmut oder Aufgeben keine Option sind, da kann der frische Wind, Gottes Geistkraft, leise säuselnd und zärtlich lockend in die Weite führen.

Das erwarte – oder besser erhoffe – ich von Palmsonntag und Ostern 2025: Jesu lebensverändernden Einzug in Herz und Verstand neu zu erleben.

Pastorin Dr. Raphaela Swadosch


Ein Wort von Bischof Harald Rückert zur aktuellen Situation

Es ist gut, ...
... dass in den letzten Wochen eine neue Leidenschaft für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes erwacht ist. Freiheit und Demokratie sind kostbare Güter!

... dass viele Menschen öffentlich bekunden, dass Antisemitismus, völkischer Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Gewalt in keiner Weise hingenommen werden können. Die Würde von Menschen ist unantastbar!

... dass Menschen in unseren Gemeinden ein sehr klares Urteil haben und sich positionieren. Sie wissen sich dem Evangelium verpflichtet und füllen die daraus abgeleiteten »Sozialen Grundsätze« unserer Kirche mit Leben.

... dass Menschen in der Nachfolge Jesu sich aktiv einsetzen für Menschenwürde und Menschenrechte. Das entspricht dem, wie die Bibel Gott bezeugt und wie sie den Menschen als Gottes Ebenbild beschreibt.

... dass sich die christlichen Kirchen in unserem Land in diesen Grundfragen einig sind und Stellung beziehen gegenüber Antisemitismus und Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Hier gibt es keine Kompromisse. Der gesellschaftliche Fokus ist derzeit aus erkennbaren Gründen auf den Rechtsextremismus ausgerichtet. Gleichzeitig gilt es, auch wachsam zu sein gegenüber anderen Entwicklungen, die ebenfalls dem Evangelium widersprechen. Das Nein der biblischen Botschaft zu menschenverachtendem Reden und Handeln gilt jeder Ausprägung inakzeptablen Verhaltens –von »rechts«, von »links«, aus religiösen Motiven oder woher es sonst gespeist sein mag.

 

Leider ...

... können viele Menschen etliche aktuelle politische Entscheidungen nicht mehr verstehen. Verunsicherung und die Sorge vor wirtschaftlichem und sozialem Abstieg nehmen zu.

... verstärkt sich eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, bei der demokratische Prozesse und Institutionen im Allgemeinen angezweifelt und verächtlich gemacht werden.

... agieren die etablierten demokratischen Parteien mitunter ungeschickt. Menschen fühlen sich nicht wahrgenommen und abgehängt.

... verstärken sich Tendenzen, dass nicht mehr miteinander geredet wird. Persönliche Interessen oder Gruppenüberzeugungen werden so stark in den Mittelpunkt gestellt und verteidigt, dass ein Miteinander und die Bereitschaft zum Kompromiss auch über unterschiedliche Sichtweisen und Bedürfnisse hinweg auf der Strecke bleiben.

... werden Menschen mit einer anderen Meinung zu einem der vielen sehr komplexen Themen, die derzeit Politik und Gesellschaft herausfordern, ganz schnell »abgestempelt« und in Schubladen geschoben. Das konstruktive Zuhören und Aufeinander-Eingehen in Zuspruch und Widerspruch findet kaum mehr statt. Das notwendige gemeinsame Ringen unterbleibt. Wer anders ist als man selbst, wird abgeschrieben und kann schnell zur Zielscheibe von bösen Attacken, von Hass und Verleumdung werden.

... verstärken sich radikalisiertes Denken und Reden in unserer Gesellschaft. Extreme Haltungen sind »sagbar« geworden und gewinnen an Einfluss, auch weil die sozialen Medien diese in Windeseile verbreiten und verstärken.

... ist mit vielen dieser Entwicklungen der Boden bereitet für verführerischen Populismus, scheinbar einfache Lösungsangebote, Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und die Pflege von Feindbildern. Nicht zuletzt führt das zu einem in Deutschland nicht mehr für möglich gehaltenen Aufblühen des Antisemitismus. Längst bewältigt geglaubtes, extremes nationalistisches Gedankengut breitet sich aus und nistet sich in den Köpfen der Menschen ein. Misstrauen und Hetze drohen unsere Gesellschaft auseinanderzutreiben.

 

Liebe Schwestern und Brüder in der Evangelisch-methodistischen Kirche,

mit diesen Zeilen wende ich mich an euch. Statt einer öffentlichen Erklärung, was »die Haltung der Evangelisch-methodistischen Kirche und der Menschen dieser Kirche ist«, liegt mir am Herzen, euch direkt anzusprechen. Das Zeugnis der Bibel und die daraus abgeleiteten »Sozialen Grundsätze« unserer Kirche sind unmissverständlich. Der Schrecken der beiden Weltkriege und die Gräueltaten des NS-Regimes führten dazu, dass im Nachkriegs-Deutschland und im inzwischen wiedervereinigten Deutschland der Schutz der unantastbaren Würde des Menschen bewusst im Grundgesetz verankert ist und als Richtschnur staatlichen Handelns dient. Extreme politische Gruppierungen und Parteien – egal welcher Couleur –, die diesen Grundsatz aufgeben oder untergraben, stellen sich außerhalb unserer gesellschaftlichen Ordnung und sind nicht zu akzeptieren.

Einige von euch beteiligen sich an den vielerorts stattfindenden Demonstrationen gegen menschenverachtenden Rechtsextremismus. Tut dies weiterhin mit Überzeugung und Klarheit. Doch tut dies mit menschenfreundlicher Gesinnung und einem klaren Blick, der auch inakzeptables Reden und Tun aus anderen Richtungen wahrnimmt und brandmarkt. Es ist beispielsweise auch nicht hinzunehmen, wenn bei pro-palästinensischen Demonstrationen der Terror der Hamas verharmlost, das Existenzrecht Israels bestritten und die Auslöschung des Staates Israel propagiert werden.

Es ist gut, auf den Marktplätzen mit vielen anderen zusammen gegen extremistisches Reden, Denken und Handeln einzutreten. Ungleich schwerer ist es, gerade in den Einzelbegegnungen des Alltags mutig und klar zu sein. Doch genau das ist nötig, um die in der großen Menge demonstrierte Einheit und Botschaft im Alltag zu leben.

Einige von euch meinen, dass eure Anliegen bei der AfD besser aufgehoben seien als bei den etablierten Parteien. Eure Beweggründe dafür mögen unterschiedlich sein. Ich vermute, dass die wenigsten von euch – wenn überhaupt – das in der AfD beförderte völkisch-nationale Gedankengut oder Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit für richtig und gut befinden. Bitte haltet euch offen für das Gespräch darüber und stellt euch kritischen Fragen. Zugleich erinnere ich euch daran: Seit ihrer Gründung ist es dieser Partei zunehmend schwergefallen, sich von rechtsextremem Gedankengut deutlich, klar und dauerhaft abzugrenzen. Inzwischen wurden Teile der Partei und einzelne Personen in herausgehobener, einflussreicher Stellung vom Verfassungsschutz als eindeutig rechtsextrem eingestuft. Darum bedenkt ernstlich, was ihr bei einer möglichen Stimmabgabe für diese Partei tatsächlich unterstützt.

 

Liebe Schwestern und Brüder, lasst uns ...
... versuchen, in unseren Gemeinden, am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft das Gespräch über die derzeitigen großen Herausforderungen zu wagen. Ich weiß, dass dies unglaublich schwierig ist. Manchmal herrscht der Eindruck vor, als könnte das überhaupt nicht gelingen, da die Wahrnehmungen und Überzeugungen derer, die miteinander kommunizieren sollten, komplett unterschiedlich sind. Dennoch! Das ernste, aufrichtige und klare Gespräch ist die einzige Alternative.

... einander als Menschen achten. Es ist leicht, übereinander zu sprechen. Dabei geschieht es schnell, einander nur noch als Gegner zu sehen. Das kann sogar dazu führen, im Gegenüber nicht mehr einen Menschen aus Fleisch und Blut zu sehen, nicht mehr einen Menschen mit Gefühlen und Bedürfnissen, nicht mehr einen Menschen als Ebenbild Gottes.

... versuchen, auf der Grundlage der klaren Ablehnung von völkischem Nationalismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt einander zuzuhören und aufeinander einzugehen.

... versuchen, ungeachtet unterschiedlicher politischer Überzeugungen, gemeinsam für Menschenwürde, Freiheit und Demokratie einzutreten.

... aufrichtig und mutig unsere biblische Überzeugung leben, dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus zur Welt gekommen ist und unter uns »das Wort von der Versöhnung« aufgerichtet hat. Als mit Gott versöhnte Menschen, werden wir zu Botschafterinnen und Botschaftern der Versöhnung (2. Korintherbrief 5,18-20). So sind wir beauftragt, zu versöhnen und nicht zu spalten, zu heilen und nicht zu zerstören, zu verbinden und nicht zu trennen. Dazu schenke uns Gott die nötige Kraft, den nötigen Mut und die nötige Weisheit.


Mit herzlichen Segensgrüßen,
Bischof Harald Rückert

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