Herzlichen Gruß an alle, die mitlesen!

ich weiß nicht, wie es Ihnen/Euch geht, wenn der
Blick auf den Bibelvers im größeren Bild fällt. Vielleicht
sind es gleich mehrere Assoziationen, die einen
zurückhaltend werden lassen.


Gleich am Anfang findet sich das Begriffspaar Lust
und Herr. In der aktuellen gesellschaftspolitischen
Situation ist es sicher heikel, im Zusammenhang mit
Glauben von Lust zu sprechen. Und dann folgt im
zweiten Satz die Aufforderung, sich einfach anzuvertrauen, verbunden
mit dem Versprechen, dass alles gut werden wird.


Ja, es gibt die Diskussion über Missbrauch
und das damit verbundene unermessliche Leid.Dem haben sich alle Kirchen, nicht nur die römisch-katholische,
zu stellen. Neben den Folgen dieser Taten für die Betroffenen und
der öffentlichen Kritik an der Institution Kirche gibt es noch eine
weitere Folge, die zu beobachten ist. Für viele ist es schwierig, zwischen
der Kirche und Amtsträgern und Gott selbst zu unterscheiden. Mit
der kritischen Einstellung zu Kirchen wächst auch die Distanz zum Glauben an einen Gott.


Sehr berührend waren für mich in den letzten Wochen
mehrere Äußerungen von Opfern des Missbrauches,
die in den Medien davon sprachen, wie
wichtig es ihnen sei, die Beziehung zu Gott angesichts
des Verhaltens von Menschen nicht zu verlieren.
Dieser Glaube sei ihnen unendlich wichtig.
Glaubensentscheidungen und -haltungen sind sehr
persönliche Dinge. Sie entziehen sich dem Urteil
anderer. Und sie berühren sehr sensible Bereiche
unseres Lebens. Es geht um die Frage, wie das
Koordinatensystem meines Lebens aussieht.


Was ist das, was mir Halt gibt in schwierigen
Situationen, was mir Hoffnung gibt? Was hilft mir,
meine wirklichen, oft ja vor der Außenwelt verborgenen
Lebensfragen zu bearbeiten? Was trägt wirklich
und erweist sich nicht als eine Variante des
Freiherrs von Münchhausen, der sich ja angeblich selbst an den
Haaren aus dem Dreck gezogen haben soll. Ein Halt, der davon
abhängt, dass man mit eigenen Kräften in sich selbst investiert, funktioniert
nicht mehr, wenn diese Kräfte zu Ende sind.


Die nebenstehenden Verse stammen aus einem biblischen Psalm.
Psalmen waren ursprünglich Gebete. Das macht sie zu sehr individuellen
Texten, die gerade wegen ihrer subjektiven Sicht auf
das Leben und Gott manche allzu sachlichen Anfrage
schwierig werden lassen. Sie sind getragen von
der persönlichen Glaubenserfahrung.


„Habe deine Lust...“ bedeutet nicht, einfach nur der
Meinung zu sein, dass es Gott geben würde. „Lust“
weist auf eine ganz andere, viel tiefere Dimension
der Gottesbeziehung hin. Wenn ich an oder zu
etwas Lust habe, erfüllt es mich, spricht nicht nur
meinen Verstand an.
Für die Person, die den Psalm damals zum ersten
Mal gebetet hat, bedeutete es, von Gott begeistert
zu sein. Da sagt jemand nicht einfach, dass es den
„lieben Gott“ geben würde, sondern er oder sie
glaubt an Gottes Liebe und hat sie offenbar auch
erlebt. Der Psalm lebt von der Erfahrung, dass Gott
einen sieht und wertschätzt. Gott berührt die tiefen
inneren Bedürfnisse eines Menschen.
Und das Psalmwort weist nach vorn. Es beschreibt
nicht nur, was gewesen ist. Die Erfahrung wird mit
einer wachsenden Erwartung verknüpft. Aus der
Begegnung mit Gott und dem erleben seiner Nähe
entsteht Gewissheit.
Damit ist in diesem Psalm ein ganz entscheidende
Merkmal des Glaubens angesprochen. Die
Gewissheit, dass Gott einen nicht loslässt und er
seine Begleitung nicht nach Lust und Laune
aufkündigt, gehört wesentlich zum Glauben an Gott.


Glauben heißt, sich von Gott gehalten zu wissen.
Im Glauben ist nicht entscheidend, was ich alles zu
glauben vermag, vielleicht sogar gegen meinen
Verstand. Glauben heißt, mit Gott in Beziehung zu
stehen. Und diese Beziehung trägt und hält, weil
Gott das so will. „Er wird‘s wohl machen“ ist die
Zusage, dass ich mich darauf verlassen kann: Gott
steht zu mir. Er ist verlässlich. Um seine
Zuwendung und Treue muss ich nicht kämpfen, sie
mir nicht immer wieder verdienen.


Das zu erleben wünscht Euch/Ihnen
Hartmut Kraft